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Art. Bereits Tacitus hebt dies audrücklich hervor, und wo heute noch
der alte Sinn für ein behagliches Heim waltet, da sehen wir auch die
dunkeln Balken die Eintönigkeit der übertünchten Mauern durchbrechen,
mögen wir in Nord-, Mittel- oder Süddeutschland weilen. Mancherlei
Schmuck ziert das Haus. Die farbigen Wände, deren Tacitus gedenkt,
finden wir noch heute in verschiedenen Gegenden Nieder- und Ober—
deutschlands. Als besondere äußerliche Zierde springen am niedersächsischen
Bauernhause die Pferdeköpfe am Dachfirst und die Donnerbesen an den
Giebelwänden in die Augen; in Mitteldeutschland finden wir an vielen
Orten das Vorgärtchen mit seiner Laube, seinen bunten Blumenbeeten
und Stachel- und Johannisbeersträuchern, in Oberdeutschland die male—
rischen Galerien und Altane, die, durch das Dach vor Regen geschützt,
die Wände schmücken. Vielenorts erhebt sich ferner vor dem Eingange
des Hauses eine mächtige Linde, deren Gezweig die Bänke beschattet,
auf denen man sich in den Abendstunden uñd an Feiertagen erholt. Zu
dem äußeren Schmuck der Häuser gehören auch die Inschriften, die wir
in allen Gegenden Deutschlands finden, und die ein sprechendes Zeugnis
für deutsches Gottvertrauen, deutsche Innerlichkeit, deutsche Lebens—
auffassung sind. Da liest man an vielen Häusern:
„Gott beschütze dieses Haus und alle, die da gehen ein und aus“,
oder am Giebel manches sächsischen Hauses in Siebenbürgen:
„Einst seh' ich an der Laufbahn Ende
Auf meine Tage fröhlich hin
Und sage: ‚,Herr, durch deine Hände
Empfing ich, was ich hab' und bin.
Hier ist mein Tagewerk! Nicht mein,
Dein ist der Ruhm, die Ehre dein!“
Auch schlichte Lebensweisheit zeigen die Sprüche oft. Besonders häufig
wendet sich der Hausspruch gegen die Krittelsucht unfreundlicher Nachbarn;
es heißt da unter anderm:
„Ich kehr' mich nichts daran.
Ich lass' die Leute klügeln:
Wer kann denn jedermann
Das lose Maul verriegeln?“
Bei der Ausschmückung des Hauses im Inneren waltet derselbe
Geist. Auch hier verlangt der Deutsche Schmuck und Zier, damit Auge
und Herz zugleich erfreut werden. In den niedersächsischen Bauern—
häusern, wo der Herd der Mittelpunkt des Familienlebens ist, schmücken
diesen zinnerne Schüsseln, Teller und Kannen, und an seinem oberen
Rande sind häufig fromme Sprüche angebracht. In Mittel- und Ober—
deutschland sind besonders das Wohngemach und die Gaststube oder
sogenannte gute Stube mit Zierat versehen. Mag der Erwerb noch