Full text: [Teil 8 = Klasse 2, [Schülerband]] (Teil 8 = Klasse 2, [Schülerband])

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Erdteile durchflutenden europäischen Kolonistenstrom nach systematischer 
Auslese auch dort einzubürgern, wo es die geologische Entwicklung nicht 
hatte geschehen lassen. Nicht ein Erdteil wird vermißt unter den Dar— 
leihern von Zuchttieren, Nutz- oder Ziergewächsen an Europa. Am 
schwächsten ist Afrika vertreten, nämlich bloß mit Schmuckpflanzen wie 
Kalla und Pelargonien; Australien schenkte uns in seinem Eukalyptus 
einen kostbaren raschwüchsigen Baum, der durch die energische Saug— 
tätigkeit seines mächtig ausgreifenden Wurzelwerks u. a. in den Ponti⸗ 
nischen Sümpfen Wunder tut zur Austrocknung des Bodens, zur Ver— 
nichtung des Fiebermiasmas; Amerika verdanken wir den Truthahn, die 
Tabakpflanze, den Mais, vor allem aber die Kartoffel, ferner die eigen— 
artig fremdländische Staffage der Mittelmeerländer: Agave nebst Opuntie; 
am meisten jedoch spendete uns Asien, mit dem Europa zufolge seines 
breiten Landanschlusses im Osten sowie der bequemen Schiffahrt über 
das Mittelmeer stets im engsten Bunde gestanden hat durch Wanderungen 
der Völker und durch Warenaustausch. Jeder Hühnerhof stellt eine 
asiatische Geflügelkolonie dar, innerhalb deren nicht selten der Pfau eine 
echt indische Farbenpracht entfaltet. In vor- oder doch frühgeschichtliche 
Zeitfernen reicht die Einführung des Weizens und der Gerste aus Asien, 
noch während des Altertums folgten Walnuß und Kastanie, Mandel, 
Pfirsiche und Aprikose, erst durch Lucullus die Kirsche. Oberitalien, 
vormals ein sumpfiges Urwaldgebiet rein europäischer Baumformen, 
ward zu einem prangenden Fruchtgefilde, wo hier asiatischer Reis, dort 
amerikanischer Mais blüht und aus China gekommene Seidenzucht 
tausend emsige Hände beschäftigt; nur die Weinrebe, die im Poland so 
reizend sich von Ulme zu Ulme schlingt, darf als alteuropäisches Eigen⸗— 
gut gelten. Der Büffel, so heimisch er sich jetzt in den Donausümpfen 
Rumäniens wie in den Morästen am tyrrhenischen Gestade Italiens 
fühlt, ist doch erst im frühen Mittelalter durch Nomadenstämme aus 
Westasien zu uns gelangt. Das Land, ‚wo die Zitronen blühn, im 
dunklen Laub die Goldorangen glühn“, ist Italien noch in Cäsars Tagen 
nicht gewesen, ja die Apfelsine, die schon durch ihren Namen „Apfel von 
Sina“ ihre chinesische Heimat verrät, wurde sogar erst durch die portu— 
giesische Kauffahrtei des 16. Jahrhunderts über Südeuropa ausgebreitet. 
Allein, um den Landschaftswandel durch Menschenhand zu gewahren, 
brauchen wir uns gar nicht im Geist ans blaue Mittelmeer zu versetzen, 
etwa nach Sizilien, dieser Lieblingsstätte der Ceres, wo man nun nicht 
mehr bloß Weizen, Wein und Oliven wie vor alters erntet, sondern 
ganze Schiffsladungen von Hesperidenäpfeln von Palermo Nord⸗ 
amerika und halb Europa verfrachtet, den Opuntienkaktus die Atnalava 
in fruchtbaren Humusboden verwandeln und gleichzeitig dem armen 
Volk eine billige, labende Frucht schaffen läßt, — nein, unser eigenes 
Vaterland offenbart uns das eindringlich genug.
	        
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