Full text: [Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband]] (Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband])

bewahrt sie in sorgfältiger Erhaltung, gleichsam als Urkunden für die 
Forschungen späterer Zeiten. In früheren Zeitaltern erhielt die Natur 
die vergänglichen Formen der Tiere und Pflanzen durch Verwandlung in 
Stein, oder sie schloß sie ein in weichen Schlamm, der, allmählich zu 
Schieferton, Mergel oder Gips erhärtend, in seinen Schichten wie in den 
Blättern eines Albums die Abdrücke oft mit den feinsten Einzelheiten in 
lithographischem Naturselbstdruck aufbewahrt. Heutzutage bedient sich die 
Natur zu diesem Zwecke gewöhnlich des Torfes. Tiere und Pflanzen, die 
zufällig in den weichen Boden des Torfmoores geraten, werden in kurzer 
Zeit von der überquellenden Moosdecke eingeschlossen und dadurch vor Ver¬ 
wesung behütet, so daß noch nach Jahrtausenden ihre wohlerhaltenen Körper 
sich wieder auffinden lassen. Manches Waldtal schließt in seinem Grunde 
ein Torfmoor ein, das gewissermaßen das Archiv des Waldes seit undenk¬ 
lichen Zeiten darstellt; denn in seinen verschiedenen Tiefen sind die Proben 
aller Holzarten aufgehoben, die in den aufeinander folgenden Jahrhunderten 
auf den benachbarten Abhängen gewachsen waren. Dann zeigt sich, daß ein 
fortwährender Dynastienwechsel im Walde stattfindet, wenn er dem freien 
Kampfe der Baumgeschlechter überlassen ist und der Mensch sich von jeder 
Einmischung fernhält.. Da jedes der herrschenden Baumgeschlechter seinen 
besonderen Hofstaat von niederem Volk im Unterholz und unter den Wald¬ 
blumen um sich versammelt, so bedeutet ein jeder Wechsel zugleich eine 
völlige Umgestaltung der Waldflora, gleichzeitig deutet er auf regelmäßig 
wiederkehrende Wandelungen des Klimas, denen in erster Reihe jene 
Waldrevolutionen zuzuschreiben sind. 
Die ältesten Wälder, von denen in den tiefsten Lagen der skandi¬ 
navischen Torfmoore sich Überreste erhalten haben, bestanden aus Espen, 
ihnen folgten Kiefern, diesen Eichen, diesen Erlen, zuletzt Buchen, die bis 
zum heutigen Tag im Alleinbesitz der schönen Waldungen von Seeland 
geblieben sind. Die Aufeinanderfolge ist so gesetzmäßig, daß skandinavische 
Altertumsforscher von einem Zeitalter der Kiefer, der Eiche, der Buche 
sprechen, die sich auch durch die Kunsterzeugnisse der gleichzeitigen Volks¬ 
stämme unterscheiden lassen. Im östlichen Norwegen, wo die Buche nicht 
gedeiht, sind es die Erlen, die vom Nadelwald vertrieben wurden; an der 
warmen, feuchten Westküste dagegen herrscht noch heutzutage die Erle in 
friedlicher Gesellschaft mit der Birke, der Espe, der Eberesche und schmückt 
mit fröhlichem Laubgrün die Talgründe, während an den steilen Gehängen 
nur mühselig Fichten und Kiefern Fuß fassen. Aber auch diese beiden, 
obwohl stammverwandt, geraten in Kampf, wo sie in den norwegischen 
Wäldern untereinander zerstreut leben; gewöhnlich ist die Fichte die stärkere 
und erstickt mit der Zeit den Gegner, indem sie ihm mit ihrem breit¬ 
schattigen Geäst das Licht entzieht. Nicht ohne Mitgefühl erblicken wir 
dann mitten im einförmigen Fichtenwald vereinzelte alte Kiefern, die sich 
knorrig krümmen und winden, um aus dem dunkeln Fichtig hervor die
	        
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