Bötticher: Aus dem „Waltharius".
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65 Nun warf von sich die kriegrische Last der tapfere Necke,
Und das Haupt in den Schoß ihr lehnend ermahnt er die Jungfrau:
„Habe nun sorgsam acht, Hiltgund, und siehst du von fernher
Dunkles Staubgewölk aufwirbeln, wecke mich leis dann,
Schmeichelnd mit zarter Hand, ja sähest du auch in gewalt'gen
70 Scharen sich nahn die Feinde, so scheuche den Schlummer vom Auge
Doch nicht allzu jäh, Vielteure, denn weithin erkennbar
Ist ja rings dem Auge dein, dem klaren, die Gegend."
Also sprach jung Walther und schloß die leuchtenden Augen.
Aber als Günther im Sand wahrnimmt die Spuren der Wandrer,
75 Treibt er sein schnaubendes Roß mit schärfer stachelnden Sporen.
„Auf denn," so tönet sein Ruf durch die Luft aus jubelndem Herzen.
„Auf denn, ihr Mannen, geeilt, noch heute sollt ihr ihn sahen,
Nimmer soll er entfliehn mit seinen gestohlenen Schätzen!"
Hagen jedoch entgegnet, der edle, frei dem Gebieter:
80 „Eins nur mach' ich dir kund, mein Herr und tapferer König:
Hättest so oft als ich du Walthern gesehen im Kampfe,
Wie er immer aufs neu anhebt mordwütend die Feldschlacht,
Nimmer dann schien es so leicht dir, ihm abzujagen die Beute.
Wo auch immer die Hunnen bekriegten die Völker des Erdrunds,
85 Dort stand Walther, ein Schrecken dem Feind, den Genossen ein Wunder.
Glaub', o König, o glaubt mir, ihr Herrn, ich weiß, wie gefährlich
Der den Schild zu führen versteht und die Lanze zu schleudern.
Günther jedoch verstocktes Sinns ließ nimmer sich warnen.
Also nahten sie bald zuhauf der bergenden Felsschlucht.
90 Aber von Bergeshöh' umspähend gewahrete Hiltgund
Jetzt am wirbelnden Staub ihr Nahn, und mit leiser Berührung
Mahnt sie sanft- den Schläfer, der richtet verwundert das Haupt auf,
Streichend vom Auge hinweg die grauen Schleier des Schlafes.
Schnell dem Fragenden kündet die Maid, daß Reiter herannahn;
95 Mählich kleidet er wieder in Erz die nervigen Glieder,
Nimmt den gewichtigen Schild zur Hand und die wuchtige Lanze,
Schwingt im Sprunge den Stahl, die leichten Lüfte durchschneidend,
Prüfend zum bittern Kampf die Waffen im flüchtigen Vorspiel.
Siehe, da schauet die Maid schon nahe den Schimmer der Speere,
100 Und von Schreck übermannt sinkt sie laut klagend zu Boden:
„Wehe, die Hunnen sind da, nun fleh' ich, teurer Gebieter,
Zücke dein.Schwert, schlag ab mir das Haupt, daß nimmer ein andrer,
Kann ich dein nicht werden, mich jemals zwinge zum Ehbund!"
„Soll unschuldiges Blut mich beflecken?" erwidert der Jüngling —
105 „Oder wie könnte mein Schwert wohl niederwerfen die Feinde,
Wenn es blutig mordet das Leben der treuen Geliebten?
Fern sei, was du begehrst, verbanne die Furcht aus dem Herzen.
Der mich so oft hat gnädig geführt durch viele Gefahren,
Der ist mächtig genug, auch diese Verfolger zu schrecken."
110 Sprach's und spähend erhob er das Aug' und redete weiter:
„Wahrlich, das sind nicht Hunnen, nein Franken, Niblungen sind es,
Landesbewohner dahier!" Und Hagen am Helme erkennend
Ruft er lachend hinab: „Das ist mein alter Geselle,
Hagen, mein Schicksalgenoß!" und tritt zum Eingang der Höhle: