„Theodor Körner an seinen Vater". „Friedrich Förster an seine Schwester". 385
Humboldt als Kurier. In Breslau, als dem Sammelplätze, treffe ich zu den
freien Söhnen Preußens, die in schöner Begeistenmg sich zu den-Fahnen des
Königs gesammelt haben. Ob zu Fuß oder zu Pferd, darüber bin ich noch
nicht entschieden und kommt einzig auf die Summe Geldes an, die ich zusammen¬
bringe
Toni hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre edle, große Seele bewiesen.
Sie weint wohl, aber der geendigte Feldzug wird ihre Tränen schon trocknen.
Die Mutter soll mir ihren Schmerz vergeben; wer mich liebt, soll mich nicht
verkennen, und Du wirst mich Deiner würdig finden.
Dein
Theodor.
65. Ein Brief Friedrich Försters an seine Schwester:
Im Biwak bei Merseburg, 20- April 1813.
Geliebtesie Schwester!
Der 11. April — schönste Feier des Geburtstags unseres seligen Vaters —
war der Tag meines Ausmarsches aus Dresden. O, es ist ein herrliches
Leben, dies Soldatenleben; ich begreife es nicht, wie es irgend ein Mensch am
Schreibtisch und hinter dem Ofen aushalten kann. Was ich sonst nur als
Dichtung oder als längst entschwundene Zeit kannte, ist Wahrheit und Gegen¬
wart geworden; ich finde mich in die Zeit der Kreuzzüge versetzt; mir ist, als
zögen wir aus, das heilige Grab zu erobern; und ist der Glaube an die Frei¬
heit des Vaterlandes nicht auch Religion? und die Sehnsucht danach, treibt
und drängt sie nicht unwiderstehlich? Daß dieser Glaube Volksglaube geworden
ist, daß hoch und gering, wie sonst nur in der Kirche, so jetzt auch in dem
Heere beisammenstehen, zeugt dafür, daß Gott mit uns ist. Und welche innere
Umwandlung des ganzen Menschen hat dieser Auszug für Freiheit und Vater¬
land in allen bewirkt! Du würdest sie kaum wiedererkennen, diese alten
Renommisten ans Jena und Halle, die sonst ihren Ruhm darein setzten, so und
so viele Kannen Bier auszntrinken, so und so viel mal sich geschlagen, so und
so viel mal dem Rektor die Fenster eingeworfen zu haben. Sie stehen jetzt in
Reih' und Glied, parieren auf das Kommando, und unser ganzes Dasein hat
eine Weihe erhalten, von der wir vordem keine Ahnung hatten. Dabei geht es
lustig, ja oft toll genug in unserm Lager her. Wir singen unsere alten Burschen¬
lieder „auf der goldnen Freiheit Wohl" noch immer, aber wenn wir jetzt bei
dem Landesvater die Mützen auf die Degen stecken, hat das einen andern
Sinn als früher auf dem faulen Pelze zu Heidelberg oder bei der Wahl eines
Bürgermeisters zu Lichtenhain.
Welche Freude war es mir, Theodor Körner wieder zu sehen! Sobald
ich von ihm erfuhr, daß er in die schwarze Freischar eingetreten war, schwankte
ich keinen Augenblick länger in meiner Wahl; er allein gilt mir mehr als ein
ganzes Hauptquartier. Obschon der Wiener Hoftheater-Poet die zottige Löwen¬
mähne und den knotigen Ziegenhainer des Leipziger Burschen abgelegt hat, so
ist ihm doch der unverwüstliche Humor treu geblieben, und er selbst gesteht ein,
daß, wenn seine Kriegslieder einigen Anklang finden, er dem Studentenleben
Paulsiek, Deutsches Lesebuch s. Tertia u. Untersekunda. 25