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Anhang. II. Koloniale Lesestücke.
Die unmittelbare Veranlassung, aus der Brandenburg seine Kriegsschiffe
ausgerüstet hatte, fiel nach dem Friedensschlüsse von 167(J weg. Sollte gleich¬
wohl die Flottenpolitik fortgesetzt werden? Es fehlte ihr im Lande und selbst
in der unmittelbaren Umgebung des Herrschers an Gegnern nicht. Friedrich
Wilhelm gab seinen Ministern Grnmbkow und Meinders zu, daß eine Not¬
wendigkeit nicht vorliege, „dieses Werk auf solche kostbare Art bei Friedens¬
zeiten zu unterhalten". Aber gegen ihren Rat fällte er die Entscheidung
für die Flotte, in dem denkwürdigen Worte, das heute das dem großen
Fürsten zu Kiel errichtete Denkmal ziert: „Daß Wir das Werk der
Marine sowohl in Consideration Unserer Gloire, welche dabei interessieret
ist, als auch aus vielen anderen Respecten fortgesetzet wissen wollen." Am
1. Oktober 1684 gingen die bisher dem Unternehmer Raule gehörigen,
vom Staate nur gemieteten Schiffe durch Kauf in den unmittelbaren Besitz
des Kurfürsten über.
Die stärkste Schwierigkeit bot die Aufbringung der Unterhaltungskosten.
Bisher hatte der Ertrag der Prisen die Ausgaben für die kleine Flotte
gedeckt. Jetzt zur Friedenszeit versiegte diese Einnahmequelle oder konnte
doch nur noch ausnahmsweise und nur noch ganz vorübergehend erschlossen
werden, wie in der bekannten Unternehmung der brandenburgischen Kriegs¬
schiffe gegen Spanien. Als Teilnehmer an dem Koalitionskriege gegen Frankreich
hatte sich Spanien verpflichtet, dem mitverbündeten Kurfürsten von Brandenburg
Subsidien zu zahlen. Den säumigen Schuldner, den böswilligen Schuldner
zur Einhaltung seiner Verpflichtung zu zwingen, ließ der Kurfürst an den
europäischen wie an den westindischen Küsten des Atlantischen Ozeans auf
spanische Schiffe fahnden, und die Beute machte ihn wenigstens für die Kosten
der Ausfahrt bezahlt, wenn auch Spanien sich niemals gemüßigt gesehen hat/
die rückständigen Subsidien abzutragen.
Die Zukunft der jungen Marine finanziell sicherzustellen, „die Kassa zu
vergrößern", sollte die Gründung der Handelskompagnie für Guinea dienen,
die am 17. März 1682 unter „Flagge, Autorität-und Schutz" des Kurfürsten
ins Leben trat und das Fort Groß-Friedrichsburg zum Stützpunkt erhielt.
Benjamin Raule versprach sich von dieser Gründung goldene Berge: man
werde alle Zeit mit Bauen von Schiffen fortfahren können, und der Kurfürst
solle in zehn Jahren zur See so konsiderabel sein, daß sich viele Fürsten um¬
sehen würden. Man weiß, daß die Hoffnungen sich nicht erfüllten. Den
einzigen nennenswerten Gewinn, den die Kompagnie erzielte, verschaffte ihr der
Sklavenhandel nach Amerika, und auch dieser Gewinn fiel bald aus, schon
deshalb, weil man sich keinen Stapelplatz in Westindien dauernd sichern konnte.
Die zur Finanzierung der Marine gegründete Kompagnie erheischte vielmehr
Zuschüsse aus dem Marinefonds.
Ebenso mißlich wie die Finanzlage war die politische Konjunktur. So¬
wohl für den Beutezug gegen die spanischen Schiffe wie für die Gründung
der westafrikanischen Kompagnie war die Voraussetzung das Bündnis mit
Frankreich gewesen. Die brandenburgischen Kaper hätten sich auf den Atlantischen
Ozean nicht hinauswagen dürfen, wenn ihnen nicht für den Fall der Be¬
drängnis französische Häsen offen gestanden hätten. Und so ließ sich Friedrich
Wilhelm auch für seine neue Kolonie und ihren Schiffsverkehr den Schutz
Frankreichs zusagen, den Schutz gegen eine Vergewaltigung durch die
Holländer. Als das Bündnis mit Frankreich sich löste, traten die Holländer
alsbald sehr anmaßlich und gewaltsam gegen die brandenburgischen Kompagnie-