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21. Leberecht Hühnchen.
schlechten Zeiten, und endlich ereignete es sich, daß unser Chef einen Teil seiner
Beamten entlassen und das Gehalt der anderen bedeutend reduzieren mußte.
Ja, da sind wir wieder ins Amphitheater emporgestiegen. Im Grunde ist es
ja auch ganz gleich, ich finde sogar, die Illusion wird befördert durch die weitere
5 Entfernung von der Bühne. Und glaube nur nicht, daß dort oben keine gute
Gesellschaft vorhanden ist. Dort habe ich schon Professoren und tüchtige
Künstler gesehen. Dort sitzen oft Leute, welche mehr von Musik verstehen, als
die ganze übrige Zuhörerschaft zusammengenommen, dort sitzen Leute mit
Partituren in der Hand, welche dem Kapellmeister Note für Note auf die
10 Finger gucken und ihm nichts schenken."
Es war elf Uhr, als ich mich verabschiedete. Zuvor wurde ich in
die Schlafkammer geführt, um die Kinder zu sehen, welche in einem Bettchen
lagen in gesundem, rosigem Kinderschlaf. Hühnchen strich leise mit der Hand
über den Rand der Bettstelle: „Dies ist meine Schatzkiste", sagte er mit
15 leuchtenden Augen, „hier bewahre ich meine Kostbarkeiten — alle Reichtümer
Indiens können das nicht erkaufen!"
Als ich einsam durch die warme Sommernacht nach Hause zurückkehrte,
war mein Herz gerührt, und in meinem Gemüt bewegte ich mancherlei herz¬
liche Wünsche für die Zukunft dieser glücklichen Menschen. Aber was sollte
20 ich ihnen wünschen? Würde Reichtum ihr Glück befördern? Würde Ruhm
und Ehre ihnen gedeihlich sein, wonach sie gar nicht trachteten? „Gütige
Vorsehung", dachte ich zuletzt, „gib ihnen Brot und gib ihnen Gesundheit
bis ans Ende — für das übrige werden sie schon selber sorgen. Denn wer das
Glück in sich trägt in stillzufriedener Brust, der wandelt sonnigen Herzens
25 dahin durch die Welt, und der goldene Schimmer verlockt ihn nicht, dem die
andern gierig nachjagen, denn das Köstlichste nennt er sein eigen."
Heinrich Seidel.