Full text: [Teil 5 = Klasse 5, [Schülerband]] (Teil 5 = Klasse 5, [Schülerband])

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9. von Limmel und Solle. 
wundervolles Schloß verwandelt hatte, bemerkten sie in ihrer Einfalt auch 
nicht; denn es war eben ein unsichtbares Königreich, was dem Traum¬ 
jörge vom Himmel herabgefallen war. Aus diesem Grunde bekümmerte er 
sich auch um die dummen Leute gar nicht, sondern lebte in seinem König- 
5 reiche und mit seiner lieben Prinzessin herrlich und vergnügt. Und er bekam 
sechs Kinder, eines immer schöner als das andere, und das waren lauter 
Prinzen und Prinzessinnen. Niemand aber wußte es im Dorf, denn das 
waren ganz gewöhnliche Leute und viel git einfältig, um es einzusehen. 
Richard von Volkmann (Leander.) 
io i>. Von Himmel und Hölle. 
/iLs war UM die Zeit, wo die Erde am allerschönsten ist und es dem Men- 
^ scheu am schwersten fällt zu sterben; denn der Flieder blühte schon, 
und die Rosen hatten dicke Knospen. Da zogen zwei Wanderer die Himmels- 
straße entlang, ein Armer und ein Reicher. Die hatten auf Erden dicht 
15 beieinander in derselben Straße gewohnt, der Reiche in einem großen, präch¬ 
tigen Hause und der Arme in einer kleinen Hütte. Weil aber der Tod 
keinen Unterschied macht, so war es geschehen, daß sie beide zu derselben 
Stunde starben. 
Da waren sie nun auf der Himmelsstraße auch wieder zusammen- 
20 gekommen und gingen schweigend nebeneinander her. Doch der Weg wurde 
steiler und steiler, und dem Reichen begann es bald blutsauer zu werden; 
denn er war dick und kurzatmig und in seinem Leben noch nie so weit 
gegangen. Da trug es sich zu, daß der Arme bald einen guten Vorsprung 
gewann und zuerst an der Himmelspsorte ankam. Weil er sich aber nicht 
25 getraute anzuklopfen, setzte er sich still vor der Pforte nieder und dachte: 
„Du willst auf den reichen Mann warten; vielleicht klopft der an." 
Rach langer Zeit langte der Reiche auch an, und als er die Pforte 
verschlossen fand und nicht gleich jemand aufmachte, fing er laut an zu rütteln 
und mit der Faust dranzuschlagen. Da stürzte Petrus eilends herbei, öffnete 
30 die Pforte, sah sich die beiden an und sagte zu dem Reichen: „Das bist du 
gewiß gewesen, der es nicht erwarten konnte. Ich dächte, du brauchtest dich 
nicht so breit zu machen. Viel Gescheites haben wir hier oben von dir 
nicht gehört, solange du auf der Erde gelebt hast!" 
Da fiel dem Reichen gewaltig der Mut; doch Petrus kümmerte sich 
35 nicht weiter um ihn, sondern reichte dem Armen die Hand, damit er leichter 
aufstehen könnte, und sagte: „Tretet nur alle beide ein in den Vorsaal; 
das weitere wird sich schon finden?"
	        
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