Full text: [Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband]] (Teil 6 = Klasse 4, [Schülerband])

8. Das Leni. 
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zustaunen. Er hörte den Besuch nicht, und erst als ihm die Frau die Hand 
auf den Rücken legte, wendete er sich träge um und legte seine Finger in 
die ihren. 
„Was macht ihr?" 
„Bah sah, es geht, weil es muß." 5 
So gingen die Worte zwischen ihnen hin und her, während sie sich 
am Tische niederließen. Die Veronika strich sich das dünne graue Haar 
unter das Kopftuch, dann sagte sie: „Nun, hast du dich umgesehen nach 
einer Magd?" 
„Bah — nein", brummte Senn. 10 
„Ja, und warum nicht?" fragte die Frau ungeduldig. 
„Es will^s allein machen", gab der Lammwirt zurück und zuckte die 
Schulter nach dem Flur hinaus, wo das Leni fegte. 
„Das Kind? Bist wohl ein Narr?" zürnte die Veronika. 
Der Lammwirt schwieg darauf; erst nach einer geraumen Weile sagte 15 
er schnaufend: „Eine Magd — das gibt es auch nicht bei uns, dazu ist 
auch kein Geld da." 
Da stand die Veronika auf und ging nach der Türe; sie hatte einen 
energischen Zug in dem bleichen Sorgengesicht und ries mit einer scharfen 
Stimme nach dem Leni. Das Kind kam, mit der Sackschürze angetan, die 20 
Bürste in der Hand, von der Seifenwasser tropfte. Aus grauschwarzen, 
großen und stillen Augen sah es die Veronika an. 
„Eine Magd müht ihr doch jetzt nehmen", sagte diese, „gerade habe 
ich es dem Vater gesagt." 
„Nein, nein", gab das Kind zurück; es schüttelte den Kopf so hastig, 25 
daß das „nein, nein" wie ein erschrecktes „Herr du mein Gott" sich ausnahm. 
„Wie sollte es denn sonst gehen", fuhr die Veronika fort. „Das gäbe 
mir eine schöne Haushaltung sonst." 
Da trat das Leni um einen Schritt näher an sie. „Eine Magd ist 
für uns nicht. Wir haben kein Geld dazu. Sie hat es immer gesagt, die 30 
Mutter! Und jetzt erst recht nicht. Wo sollte es herkommen! Der Vater 
verdient nichts. Und dann — eine Fremde ins Haus, die alle regieren 
mochte!" 
Die Veronika wollte ihm in die Rede fallen, aber das Kind zog einen 
Schlüssel aus der Tasche. „Ich muß selber dasein", flüsterte es leise, damit 35 
der Vater in der Stube es nicht hörte. „Den Wirtskasten muß ich ab¬ 
geschlossen halten, sonst kommt der Vater dahinter. Er hat ihn nie haben 
dürfen, den Schlüssel, bei der Mutter nicht. Es tut ihm nicht gut, wenn
	        
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