416
8. Die erste und letzte Kaiserparade.
EPine andere Preude wurde dem kaiserlichen Dulder am
29. Mai zu teil. Kronprinz Wilbelm führte seinem Vater im
Schlobgarten seine Brigade vor, die eben vom Pelddienst heim-
gekehrt war. Melche Gedanken mögen den todwunden Kaiser
bewegt haben, als er seine Getreuen vorbeimarschieéren sah!
Welehe schmerzlichen Gefühle mögen auch in das Herz manches
der braven Soldaten gekommen sein, die hier zum letzten Male
dem Sieger von Königgrätz und Wörth die kriegerischen Ehren
entgegenbrachten!
9. Abschied für immer.
Der Kaiser hatte sich während der letzten Maitage sehr
wohl gefühlt. Dieses günstige Befinden gestattete ihm, am
L. Juni nach dem sonnigen und stillen Schlob Friedrichskron in
Potsdam uberzusiedeln. Man wäblte hierzu den Wasserweg.
Kronprinz VWilhelm wollte das Schiff, das seinen Vater tragen
sollte, selbst führen. Von den beiben Segenswünschen der Be—
wohner Charlottenburgs begleiteèt, bestieg der Kaiser die Jacht
„Alexandria“, um seinem bisherigen Aufenthaltsorte Lebewohl
zu sagen. Niemand ahnte, daß es in kurzer Zeit ein Lebewohbl
für immer werden sollte.
Die Sonne brach in herrlichem Strahlenglanze durch das
Gewölk, als die Jacht an dem Dorfe Kladow vorüberfubr. Auf
einer Kleinen Havelinsel hatte die Schuljugend von Kladow unter
Führung ihres alten Lehrers sich aufgestellt, um den RKaiser
mit ihren hellen Stimmen zu begrübßben. Und überall, wo ein
freundliches Haveldorf lag, wurde er mit brausendem Hurra, mit
Gesangen von Schulkindern und herzöüchen Lebewoblrufen be—
grüßt. Bald war die Jacht auber Sicht. —
Lebe wobl, lebe wohbl, Kaiser Priedrich!
NXach MUller Bohn und P., Schultz.
W—
Buchdruckerei Julius Klinkhardt, Leipzig.