Full text: Prosalesebuch für Untertertia der Vollanstalten oder Klasse III der Realschulen (Teil 4, [Schülerband])

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braucht worden ist, muss der Umstand, dass die in Apia wohnenden 
Europäer ihre Samoa besuchenden Landsleute in Gasthäusern 
wohnen lassen, anstatt ihnen Gastfreundschaft zu erweisen, die 
Samoaner notgedrungen zu der Ansicht bringen, dass die Aus- 
5 Übung der Gastfreundschaft unter den Europäern nicht für vor¬ 
nehm gilt. Unter sich sind die Samoaner in einer Weise gastfrei 
und freigebig, die nahezu an Kommunismus grenzt und sogar jeder 
weiteren Entwicklung des Landes hinderlich ist. Kein Samoaner 
denkt daran, Ersparnisse zu machen, seinen Besitz zu vergrößern 
io oder die Zukunft seiner Familie sicherzustellen; und sollte er 
dennoch daran denken, so würden seine Freunde schon dafür 
sorgen, dass ihm Gedanken dieser Art vergehen. 
64. Die Winternacht am Nordpol. 
Fridtjof Nansen. In Nacht und Eis, Bd. I. Leipzig 1897. 
Dienstag, 26. September 1894. Schönes Wetter. Die Sonne 
steht jetzt viel tiefer; sie befand sich um Mittag 9° über dem 
Horizont. Der Winter kommt rasch heran. Heute abend haben 
wir —26° C., doch finden wir es nicht kalt. Leider zeigen die 
s heutigen Beobachtungen keine besonders grosse Drift nach Norden; 
wir sind ihnen zufolge noch auf 78° 50' nördlicher Breite. Gegen 
Abend wanderte ich auf der Eisscholle umher. 
Es gibt nichts so wunderbar Schönes wie die arktische 
Nacht. Es ist ein Traumland, in den zartesten Tönen gemalt, 
io die man sich denken kann; es ist in Äther verwandelte Farbe. 
Ein Schatten verschmilzt in den andern, so dass man nicht weiss, 
wo der eine endigt und der andere beginnt, und doch sind sie 
alle vorhanden. Keine Formen; alles ist schwache, träumerisch 
gefärbte Musik, eine weit entfernte, langgezogene Melodie auf 
15 gedämpften Saiten. Ist nicht alle Schönheit des Lebens erhaben 
und zart und rein wie diese Nacht? Gebt ihr glänzendere Farben, 
und sie ist nicht mehr so schön. 
Der Himmel gleicht einer grossen Kuppel, die im Scheitel¬ 
punkt blau ist und sich abwärts in Grün, dann in Lila und 
2o Violett an den Rändern abschattiert. Über den Eisfeldern lagern 
kalte, violettblaue Schatten mit helleren blafsroten Tinten, wo 
hier und dort ein Grat den letzten Widerschein des entschwinden¬ 
den Tages auffängt. Oben im Blau der Kuppel scheinen die 
Sterne, die den Frieden verkünden, wie es diese unveränderlichen 
25 Freunde stets tun. Im Süden steht ein grosser rotgelber Mond,
	        
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