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entzieht. Weit merkbarer und bedeutungsvoller aber ist es, wenn er
vor die Sonne tritt und dadurch eine Sonnen- oder vielmehr Erdfinster¬
nis hervorbringt, oder wenn bei entgegengesetzter Stellung des Mondes
zur Erde der Schatten unseres Planeten auf die vollerleuchtete Scheibe
des Mondes fällt und eine Verfinsterung desselben erzeugt, die bis 4%
Stunden währen kann. Selten verschwindet bei einer totalen Mond¬
finsternis der Mond selbst während der Zeit, wo er in dem Kernschatten
der Erde steht, vollständig; in der Regel bleibt er als eine in düsterem
Rot glühende Scheibe sichtbar.
So anziehend aber alle diese Erscheinungen sind, so sind sie doch
für das Leben der Erdbewohner wenig bedeutungsvoll. Auch der Einfluß
des Mondes aus die Witterung der Erde, insbesondere die Wolken zer¬
streuende Kraft des Vollmondes, wird von neueren Forschern ganz ver¬
neint oder doch nur als sehr gering bezeichnet. Von großartiger Be¬
deutung ist dagegen jene Einwirkung des Mondes auf die Erde, welche
in Zwischenräumen von 6 Stunden den Wechsel von Ebbe und Flut
hervorbringt. — Auf das menschliche Gemüt aber hat von jeher das
milde, silberglänzende Gestirn mächtig eingewirkt. Hold umsäumt sein
sanfter Schimmer Berg und Thal und verscheucht die Furchtgestalten der
Nacht; nur freundliche Lichtelfen halten ihre luftigen Tänze im Monden-
schein. Der Mond erweckt in der Brust des Menschen Sehnsucht und
Ahnungen, die der helle Tag mit seinem Treiben zurückdrängt. Wie
manches Lied ist zu betn treuen Freunde da oben schon emporgestiegen,
wie oft ist er schon freundlich begrüßt, wie in jenem Worte des Dichters:
willkommen, du silberner Mond,
Stiller, schöner Gefährte der Nacht!
Du entfliehst! Sile nicht, bleib', Gedankenfreund!
Sehet, er bleibt; das Gewölk wallte nur hin.
A. Aippenbrrg. (Mit Benutzung von Jakob, Lehman» und Schubert.)
73. Unsere Anschauung vom Weltgebäude.
Von jeher haben die Fragen nach dem Ban des Weltalls, dem Laufe
der einzelnen Sterne wie der Bewegung des gesamten Sternenheeres, die
menschliche Erkenntnis lebhaft beschäftigt. Im Laufe der Jahrtausende
hat dann der Geist des Menschen sich von der ersten unvollkommenen
Auffassung des Weltgcbäudes allmählich zu der wahren Lösung der immer
großartiger und bedeutungsvoller hervortretenden Aufgabe erhoben.
Es lassen sich im wesentlichen drei Stufen der Ausbildung der
Weltansicht unterscheiden; es sind das erstens die aus der sinnlichen Wahr¬
nehmung stammetlde Anschauung, zweitens die Vorstellung eines kugel¬
förmigen Weltalls mit dem ruhenden Erdball im Mittelpunkt, und endlich
die jetzige Erkenntnis einer schrankenlosen Welt, von der unser Sonnen¬
system ein verschwindend kleiner Teil und unsere um sich selbst und um
die Sonne sich bewegende Erde vollends ein ganz untergeordnetes Glied ist.
Nach dem Anfang der neuen Zeit, ein halbes Jahrhundert nach der
Entdeckung Amerikas, ein Vierteljahrhundcrt nach dem Beginne der Re-