Full text: [Teil 4, [Schülerband]] (Teil 4, [Schülerband])

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waldigen Gegenden bleiben der Boden und die Luft unter den Bäumen 
verhältnismäßig kühl, der Wasserdampf der Luft, durch die Verdunstung 
der wässerigen Bestandteile der Gewächse vermehrt, verdichtet sich leichter, 
bildet sich rasch zu Tau und Regen und läßt zahlreiche Quellen entstehen. 
Auch wird die Feuchtigkeit der Luft durch das Austrocknen der Sümpfe 
und Seen etwas vermindert. Mit den Feuchtigkeitsverhältnissen werden 
aber die Wärmegrade, die Windströmungen und die Fruchtbarkeit des 
Landes nicht unwesentlich geändert. Manche Gegenden Südeuropas, Nord¬ 
afrikas und Vorderasiens, einst wegen der Ergiebigkeit ihres Bodens 
hochgepriesen, zeigen jetzt ein ganz anderes Bild; mit der Vernichtung 
der Wälder hat sich der Wasserreichtum der Bäche und Flüsse vermindert 
und die Trockenheit der Luft gesteigert, die Hitze des Sommers ist glühender 
und versengender geworden, und die Erde trägt nicht mehr jene herrlichen 
Ernten, mit denen sie im Altertum prangte. Andererseits sind Deutschland 
und andere Länder Mitteleuropas, die einst als rauh und unwirtlich ge¬ 
scholten wurden, unter der zunehmenden Kultur des Menschen milder an 
Klima und reicher an Erzeugnissen ihres Bodens geworden. „Wir haben 
diesen Boden uns erschaffen, die Nebeldecke haben wir zerrissen," sagt 
Stauffacher in Schillers Tell. 
4. 
Wenn es diesen Darlegungen nach klar ist, daß die Einwirkung des 
Menschen auf die Natur im ganzen und wesentlichen von den segens¬ 
reichsten Folgen begleitet war, so ist doch wohl auch bedauert worden, 
daß der Mensch, indem er die Natur den Zwecken seines Nutzens unter¬ 
werfe, ihre ursprüngliche Schönheit vielfach zerstöre und den Genuß der 
freien, ungekünstelten Schöpfung beeinträchtige. Mancherlei Klagen dieser 
Art werden laut: Statt malerischer, mit den verschiedenartigsten Kräutern 
und Blumen geschmückter, in reizendem Wechsel von Wald und Flur sich 
ausbreitender Gegenden treten uns einförmige Kornfelder und Kartoffel¬ 
äcker entgegen; die natürlichen blumenreichen Wiesen sind von Kleefeldern 
oder von anderen eintönigen Futteranpflanzungen abgelöst worden; an 
vielen Orten darf sich nicht einmal das Vieh auf den Weiden ungehindert 
ergehen, es wird selbst während des Sommers in den: Stalle zurück¬ 
gehalten, oder es wird reihenweise auf der Wiese angebunden. Die 
Straßen dürfen sich nicht mehr krümmen und schlängeln und dadurch 
Abwechselung in die Landschaft bringen, — auf schnurgeraden meilen- 
langen Linien werden wir vorwärts geführt, langsamer aus den Chausseen, 
schneller auf den Eisenbahnen, von wo aus die Landschaft verschwindet, 
bevor das Auge sie auffassen kann; schnurgerade Hecken, im Süden hohe 
Mauern zerschneiden das Land in viereckige Abteilungen und beschränken 
die Aussicht. Den Bäumen erlaubt man nicht in ihrer malerischen Regel¬ 
losigkeit zu verweilen, sie werden vielmehr in bestimmten Abständen von¬ 
einander und geraden Linien gepflanzt, und man gestattet ihnen nicht, 
ihre natürliche Größe und Schönheit zu erreichen; die einzelnen Bäume 
chls dem Felde werden umgehauen, weil sie dem Landmann im Wege 
stehen. Die Hirsche und Rehe, ein so hübscher Anblick für den Wan¬ 
dernden, werden entweder ganz verdrängt oder in abgeschlossene Tiergärten
	        
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