Full text: [2 = Ober-Tertia, [Schülerband]] (2 = Ober-Tertia, [Schülerband])

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Bodengestalt sich anschließenden Burghofe. Das größte und ansehnlichste 
Gebäude, welches hier dem Eintretenden zunächst in die Augen fiel, war der 
sogenannte Palas, der mehrere Stockwerke hoch, mit einem steilen Dache 
überdeckt und durch eine steinerne Freitreppe vom Hofe aus zugänglich war. 
Über diese gelangte man in einen großen Saal, welcher sich durch das ganze 
Gebäude hinzog und seine Beleuchtung durch eine Reihe von gekuppelten, 
mit Teilungssäulchen versehenen Fenstern erhielt, wie dies im Palas der 
Wartburg zu sehen ist. Dieser Saal, der übrigens mit den andern Bau¬ 
lichkeiten der Burg in Verbindung stand, war der Mittelpunkt der ganzen 
Burg, der Versammlungsort für die Familie des Burgherrn, sowie auch 
Gesellschaftsraum. Hier war der Schauplatz aller Fröhlichkeit, hier wurden 
die Gäste empfangen und die Trinkgelage abgehalten, hier war der Mittel¬ 
punkt des ganzen ritterlichen Lebens. Dem entsprechend wurde an die Aus¬ 
schmückung dieses Saales alles gewendet, was der Burgherr an Pracht auf¬ 
bringen konnte. Die Mauern des Palas waren sehr stark, es entstanden 
daher in den Fenstern tiefe Mauernischen, in welchen steinerne Bänke an¬ 
gebracht waren, die, mit Kissen belegt, den Damen als Sitzplätze dienten. 
„In dem Fenster stehen oder sitzen" sind den Dichtern des Mittelalters ganz 
geläufige Ausdrücke. Übrigens waren die Fenster sehr hoch über dem Fu߬ 
boden, oft fünf Fuß hoch angelegt, so daß man nur mittelst eines Trittes 
hinaufsteigen konnte. Gekuppelte Fenster, die mehr Licht einließen, legte 
man an, wenn die Sicherheit es zuließ, wenn die Gefahr der Beschießung 
des Saales durch das Fenster nicht nahe lag. 
Die Fensteröffnungen wurden mit Läden verschlossen; man hatte nur 
die Wahl, Regen oder Kälte ins Zimmer eindringen zu lassen oder im 
Dunkeln zu sitzen. Man half sich, indem man außer den schweren Läden 
auch kleinere, leicht bewegliche Holzrahmen am Fenster befestigte und diese mit 
Hornplatten, geöltem Pergament usw. ausfüllte. Fensterverglasung läßt sich 
erst gegen Ende des zwölften Jahrhunderts in Privathäusern nachweisen. 
Der Fußboden des Saales war zuweilen gedielt, öfter aber mit Estrich 
ausgelegt. Bei glänzenderer Ausstattung bestand er aus Marmorplatten 
oder aus gebrannten farbigen Tonfliesen, die mosaikartig zusammengesetzt 
waren, wie in den damaligen kirchlichen Gebäuden. Dieser Fußboden ward 
zur Rosenzeit täglich mit frischen Rosen bestreut, sonst aber mit frischem 
Gras und Binsen, oder bei feierlichen Gelegenheiten auch mit Teppichen be¬ 
legt. An der einen kurzen Seite des Saales war der Fußboden etwas er¬ 
höht, so daß eine Estrade entstand, wo der Ehrensitz für den Hausherrn und 
seine vornehmen Gäste sich befand. Ebendaselbst erhob sich auch der Haupt¬ 
kamin, während ein zweiter am untern Ende des Saales stand. Der weit 
vorspringende Rauchmantel des Kamins wurde von Säulen oder Konsolen 
getragen. Der Rauch aber wurde nicht durch senkrechte Schornsteine geleitet,
	        
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