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zu ihm gedrungen und drohten ihm die Fahne zu entreißen. Da, eingedenk
dessen, was der Artikelbrief von einem Fähnrich forderte, ergriff er die Fahne
mit der Linken, zog mit der Rechten sein kurzes, breites Schwert und schlug
mit einem einzigen Streiche dem kecksten Angreifer das Haupt ab, daß es
in den Bausch der Fahne fiel.
Einen gewaltigen Arm hatte auch Georg Heerdegen, aus Schorndorf
gebürtig wie Sebastian Schärtlin. Mit diesem Landsknechtshauptmann zog
er im Jahre 1532 nach Ungarn gegen die Türken. Eines Abends ging er
vom Trinkzelt aus auf die Wache vor dem Lager. Seine Sinne waren
ein wenig umnebelt, und so vergaß er das Wort der Losung. Während
der Nacht wurde er von streifenden Türken überfallen; er wehrte sich aber
so mannhaft, daß er ihrer neun erschlug. Die übrigen entflohen, er aber
legte die neun Erschlagenen fein säuberlich der Reihe nach auf den Rasen,
und als am Morgen seine Spießgesellen kamen und sich seiner Tat ver--
wunderten, schalt er sie Verräter, daß sie ihn in so hartem Kampfe allein
gelassen hatten. Als Kaiser Karl V. von Heerdegens männlicher Tat hörte,
beschloß er den Tapfern dadurch zu belohnen, daß er ihn zum Ritter
schlüge. Heerdegen aber lehnte diese Ehre sehr ernstlich ab, weil er „noch
nie ein Roß bestiegen", und blieb sein Leben lang ein Landsknecht.
Das Leben der Landsknechte war ein ungebundenes. In Speise und
Trank, Kleidung und Vergnügen schweiften sie gern aus. Berüchtigt war
besonders ihre Trunk- und Spielsucht, gegen die alle Bestimmungen der
Artikelbriefe nichts ausrichteten. Dazu lief bei dem Spiel noch aller¬
hand Aberglauben mit glückbringenden Alraunen, Diebsfingern u. dgl. mit
unter. Zu den häßlichsten Flecken des Landsknechtswesens gehört auch das
gotteslästerliche Fluchen und Schwören, gegen das die Artikelbriefe ebenfalls
vergeblich ankämpften.
Als eine Landplage wurden namentlich von den Bauern besonders die¬
jenigen Landsknechte betrachtet, welche, von einem Hauptmann entlassen, im
Lande umherzogen, bis sie wieder angeworben wurden. Sie „gürteten",
d. i. gingen dem Betteln nach und wurden „Gartbrüder" genannt. Als um
die Mitte des 16. Jahrhunderts in Niederdeutschland die von solchen ohne
Dienst und Sold umherirrenden Landsknechten ausgehenden Plagen geradezu
unerträglich wurden, kamen Vertreter der Städte von Obersachsen, Nieder¬
sachsen und Westfalen am 8. März 1546 in Hannover zusammen, um Mittel
zur Abhilfe zu beraten. Aber es gelang noch lange Zeit nicht, dem Un¬
wesen der Gartbrüder, welche in den fürstlichen Verordnungen meist mit
Bettlern, Juden und Zigeunern zusammengestellt wurden, ein Ziel zu setzen.
Wiewohl das Volk unter der Plage der Landsknechte viel zu leiden
hatte, fehlte es doch auch nicht an allerlei Schwänken, die man von ihnen
erzählte. Da wurde sowohl erzählt von Landsknechten, die durch einen