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nun zu den zwei glänzenden Sonnen Mozart und Haydn ein drittes Gestirn
empfangen sollte, das um so wunderbarer am Himmel der Kunst aufstieg,
als der Schmerz um den stütz dahingeschiedenen Mozart noch in aller Herzen
lebendig war. Beethoven hatte den großen Tondichter glücklicherweise zu
hören Gelegenheit bekommen, auf seiner ersten Reise nach Wien (1786—87),
wo er bereits, nachdem er vor Mozart phantasiert hatte, von diesem an¬
erkennend beurteilt wurde. „Dieser Jüngling, soll sich Mozart geäußert
haben, wird noch viel von sich reden machen." Die schwere Erkrankung
seiner Mutter rief aber den jungen Beethoven damals nach Bonn zurück.
Von Haydn hatte Beethoven mehr erwartet, als er fand, und zu einer
näheren Verbindung beider Männer kam es nicht; ihre Charaktere waren zu
verschieden. Haydns kindliche Heiterkeit, ruhige Beschaulichkeit und zustiedene
Selbstbeschränkung bildete den auffallendsten Gegensatz zu dem auffahrenden,
kühnen, nach dem Höchsten ringenden Wesen des originellen Schülers, dessen
Genialität wohl der alte Meister alsbald erkannte, dessen Eigentümlichkeit er
aber nicht zu fassen und zu behandeln verstand. Dazu kam ein Vorfall, der
das leicht entzündbare Gemüt des Schülers mit Mißtrauen gegen den Lehrer
erfüllte. Von Stund' an war Beethoven entschieden, nicht länger seine
Studien bei Haydn fortzusetzen, obschon es diesem höchst erwünscht gewesen
wäre, wenn Beethoven auf dem Titel seiner Kompositionen sich einen Schüler
Haydns genannt hätte. Beethoven behauptete, er habe bei Haydn gar nichts
gelernt. Desto mehr Gewinn hatte er von dem geschickten Kontrapunktisten
Albrechtsberger in der Harmonielehre, zumal da dieser Lehrer den genialen
Schüler mehr gewähren ließ und nicht sklavisch an die Regel zu binden
suchte. Das ist ja eben der Unterschied des Genius und des bloßen Talentes,
daß letzteres nicht ungestraft die Regel verlassen darf, während jener neue
Bahnen bricht und selber die Autorität wird, welche die Regeln vorschreibt.
Beethoven wollte alles selber finden und nahm nichts auf Treu und Glauben
an, bis er sich selber von der Wahrheit und Richtigkeit eines Gesetzes über¬
zeugt hatte.
Zu seiner großen Betrübnis verlor er schon im Jahre 1801 seinen
Gönner und Wohltäter, den Grafen Waldstein; doch der Aufenthalt in Wien,
wo alles sich zur Entwickelung seines künstlerischen Sinnes vereinigte, sagte
ihm so zu, daß er beschloß auch fernerhin dort zu bleiben. Und wie zu Bonn
eine liebe Familie sich seiner angenommen hatte, so widerfuhr ihm nun ein
gleiches Glück durch die Familie Lichnowsky, welche den Künstler in ihr Haus
aufnahm. Der Fürst Lichnowsky war sehr musikalisch gebildet, und die neuesten
Kompositionen Beethovens wurden zuerst in seinem Salon aufgeführt. Ein
Hochgenuß war es, den jungen Meister zu hören, wenn er frei auf dem
Piano phantasierte. Die Fürstin behandelte ihn wie ihren Sohn und war
voll der zartesten Aufmerksamkeit. Aber gerade dies war nicht nach dem