Full text: [2 = Ober-Tertia, [Schülerband]] (2 = Ober-Tertia, [Schülerband])

hieß das Meer, in welches er mündet, das Deutsche Meer. Das Gestade 
desselben war ein Hauptsitz des germanischen Stammes, und bis 1648 hatte 
das heilige deutsche Reich hier seine wichtigste Meeresprovinz, die Nieder¬ 
lande. Zur Zeit der Hansa war diese zu einer solchen Blüte gelangt, daß 
Antwerpen seine Mauern hinausrücken mußte, um die Menge der aus aller 
Welt zuströmenden Menschen aufnehmen zu können, da an Markttagen nicht 
selten 800 Schiffe in seinen Hafen einliefen. Amsterdam vermochte ein 
Stadthaus zu bauen, das 36 Millionen Mark kostete, und Brügge war so 
bedeutend, daß alle Handelsvölker Gesandte dort hielten. Auch jetzt noch 
zeichnen sich die Niederlande durch ihren Handel wie durch ihre Fabriken 
aus. Überall weben und spinnen die Maschinen in den zahlreichen Städten, 
in allen Kanälen und Flüssen steuern schwerbeladene Schiffe, und aus den 
Häfen schnauben die Seerosse nach allen Himmelsgegenden. 
„Wo wäre ein Strom, der eine Schweiz an seinen Quellen, ein 
Holland an seiner Mündung hätte? den seine Bahn so durch lauter frucht¬ 
bare, freie, wohlangebaute Landschaften führte? Haben andere weit größere 
Wasserfülle und Breite, so hat der Rhein klare, immer volle, sich fast gleich¬ 
bleibende Fluten, so ist seine Breite gerade die rechte, hinreichend für Floß und 
Schiff, für allen Verkehr der Völker, und doch nicht so groß, daß sie die beiden 
Ufer voneinander schiede, daß nicht der erkennende Blick, der laute Ruf un¬ 
gehindert hinüberreichte. Mächtig und ehrfurchtgebietend erscheint er, als 
ein bewegter Wasserspiegel in den heitersten Rahmen gefaßt, nicht als eine 
wässrige Öde mit nebligen Ufern." 
„Von jeher, sagt Simrock, war der Name dieses Flusses ein süßer Klang 
in jedem deutschen Ohre. Wie oft und gerne flochten die Minnesänger ihr 
sehnsüchtiges ,alumbe den Rin' ihren schönsten Liedern ein, zuweilen ohne 
weitern Grund, nur um des lieben Namens willen. Heute noch, wenn es 
in dem Rheinweinliede des trefflichen Claudius an die Stelle kommt, wo es 
heißt: ,Am Rhein, am Rhein!' wie stimmen da alle Kehlen vollkräftig mit 
ein, wie klingen alle Römerglüser an, wie schüttelt der Deutsche dem Deutschen 
die Hand, wie fühlen sich alle Teilnehmer des Festes, so zufällig sie zu¬ 
sammengekommen seien, in dem Gedanken an den geliebtesten unsrer Ströme 
befreundet und verbrüdert!" Ja, der Rhein ist uns ein heiliger Strom, und 
seine Ufer sind die wahre Heimat der Deutschen, der ehrwürdige Herd aller 
deutschen Kultur. Was dem Indier der Ganges, das ist dem Deutschen 
der Rhein. Religion, Recht, Kunst und Sitte haben sich von ihm aus über 
die Gaue unseres Vaterlandes verbreitet. Darum ist es unsere heilige Pflicht, 
Gut und Blut einzusetzen, sollte je sein Besitz uns streitig gemacht werden. 
Aug. Wilh. Grube. 
^Geographische Charakterbilder.)
	        
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