Full text: [Abtheilung 2 = (Quarta, Tertia), [Schülerband]] (Abtheilung 2 = (Quarta, Tertia), [Schülerband])

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besitzen. Ihnen schließen sich in der neueren Zeit eine ganze Reihe 
anderer Dichter an, namentlich die beiden Schlegel, Körner, Rückert, 
Platen, Schwab, Kerner, Chamisso, Zedlitz, Lenau, Mosen, Frei— 
ligrath. Kleinpaul. 
135. Märchen und Sage. 
Es wird dem Menschen von heimatswegen ein guter Engel bei— 
gegeben, der ihn, wann er ins Leben auszieht, unter der vertrauli— 
chen Gestalt eines Mitwandernden begleitet; wer nicht ahnt was ihm 
gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen, wenn er die Grenze 
seines Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener verläßt. Diese wohl— 
thätige Negleitung ist das unerschöpfliche Gut der Märchen, Sagen 
und Erschichten, welche neben einander stehen und uns nach einander 
die Narzeit als einen frischen und belebenden Geist nahe zu bringen 
streben. Jedes hat seinen eigenen Kreis. Das Märchen ist poetischer, 
die Sage historischer. Jenes steht beinahe nur in sich selber fest, in 
seiner angeborenen Blüthe und Vollendung; die Sage hat das beson⸗ 
dere. *5 sie an etwas bekanntem und bewußtem haftet, an einem 
Ort oder an einem durch die Geschichte gesicherten Namen. Aus 
dieser ihrer Gebundenheit folgt, daß sie nicht, gleich den Märchen, 
überall zu Hause sein kann, sondern irgend eine Bedingung voraus— 
setzt, Ame welche sie bald gar nicht da, bald nur unvollkommener 
vorbanden sein würde. Kaum ein Flecken wird sich in ganz Deutsch— 
land finden, wo es nicht ausführliche Märchen zu hören gäbe, aber 
man »„ an denen die Volkssagen bloß dünn und sparsam gesät zu 
sein scheinen. Diese anscheinende DNürftigkeit und Unbedeutendheit 
zugegeben, sind sie dafür innerlich auch weit eigenthümlicher; sie gleichen 
den Mundarten der Sprache, in denen hin und wieder sonderbare 
Wörter und Vilder aus uralten Zeiten hängen geblieben sind, während 
die Märchen en ganzes Stück alter Dichtung, so zu sagen, in einem 
Zuge zu uns übersetzen. Merkwürdig stimmen auch die erzählenden 
Volkslieder entschieden mehr zu den Sagen, wie zu den Märchen, die 
wiederum in ihrem Inhalt die Anlage der frühesten Poesie reiner 
und kräftiger bewahrt haben, als es sogar die übrig gebliebenen grö— 
ßeren Lieder der Vorzeit konnten. Der Geschichte stellen sich beide, 
das Märchen und die Sage, gegenüber, insofern sie das sinnlich Na— 
türliche und Begreifliche stets mit dem Unbegreiflichen mischen, welches
	        
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