Full text: [Teil 5 = Obertertia, [Schülerband]] (Teil 5 = Obertertia, [Schülerband])

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so reichlich gespeist habe, und diese Dankadressen hatten wohl wenigstens 
einen ebenso guten Grund wie die im Parlamente. Man nehme es, wie 
man will, ich halte diesen Tag für einen der schönsten meines Lebens, und 
das Bewußtsein macht mich stolz, daß ich als erster Volksvertreter, trotz 
jeder Versuchung, Schmeichelei oder Drohung, mit eben der beharrlichen 
Entschlossenheit würde gehandelt haben. Die Sache lief unter den Offi¬ 
zieren herum, und ein jeder machte seine Glossen darüber nach seiner 
Sinnesweise. Die Reihe, Abgeordneter zu sein, kam nicht wieder an unsern 
Bock, also auch nicht wieder an mich. 
Ls würde mir ein hoher Genuß gewesen sein, an der Hand eines 
Freundes und Geschichtskenners die Partien der Weser von Komi bis 
Bremen zu besehen,- aber unsere Reise war ein sklavisches, dumpfes Hin¬ 
starren auf die Gegenden, wo ehemals Männer für ein besseres, nicht so 
üppiges Vaterland gekämpft hatten, von Rrminius bis zu Bonifaz herab 
schwebten mir dunkel die Szenen vor. 
Sn Bremen angelangt wurden wir in den englischen Transportschiffen 
gedrückt, geschichtet und gepökelt wie die Heringe. Den Platz zu sparen, 
hatte man keine Hängematten, sondern verschlüge im verdeck, das schon 
niedrig genug war,- und nun lagen noch zwei Schichten übereinander. Sm 
verdeck konnte ein ausgewachsener Mann nicht gerade stehen, und im 
Bettverschlage nicht gerade sitzen. Die Bettkasten waren für sechs und sechs 
Mann. Wenn vier darin lagen, waren sie voll, und die beiden letzten 
mußten hineingezwängt werden. Das war bei warmem Wetter nicht kalt: 
es war für einen einzelnen gänzlich unmöglich, sich umzuwenden, und eben¬ 
so unmöglich, auf dem Rücken zu liegen. Die geradeste Richtung mit der 
schärfsten Kante war nötig. Wenn wir so auf einer Seite gehörig geschwitzt 
und gebraten hatten, rief der rechte Flügelmann: „Umgewendet!" und es 
wurde umgeschichtet,- hatten wir nun auf der andern Seite eine Zeitlang 
ausgehalten, rief das nämliche der linke Flügelmann, und wir zwängten 
uns wieder in die vorherige Ouetsche. 
Ls war mir doch ein sonderbares Gefühl, als ich den andern Morgen 
auf das verdeck trat und zum erstenmal nichts als Himmel und Wasser 
um mich sah. Der Gzean wogte majestätisch, und die Schiffe tanzten wie 
kleine Spielwerke auf der unbegrenzten, ungeheuren Fläche,- der Himmel 
war bewölkt und teilte dem Wasser seine tiefe, ernsthafte Farbe mit. Sch 
war wirklich in einer andern Welt und fühlte mich abwechselnd größer und 
kleiner, nachdem eine erhabene oder bange Empfindung eben in der Seele 
herrschte. Bald kam Sturm und mit ihm die Seekrankheit. Beide waren 
weiter nicht gefährlich, aber doch den Neulingen furchtbar genug. Fünf 
von meinen sechs Schlafgenossen waren krank,- ich blieb leider allein ge¬ 
sund. Sch sage: leider! Die Seeluft gibt gewaltigen Hunger,- die Schiffs-
	        
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