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10. Da sprach der Wein: „Ich bin so fein,
Man pflanzt mich in die Gärten hinein,
Da lass' ich mich hacken und hauen
von Männern und schönen Jungfrauen."
11. Da sprach das Wasser: „Ich bin so fein,
Ich laufe dir über die Wurzel hinein;
Wär' ich nicht an dich geronnen,
Du hättest nicht können kommen."
12. Da sprach der wein: „Nun hast du Necht,
Du bist der Meister, ich bin der Knecht;
Das Necht will ich dir lassen,
Geh du nur deiner Straßen."
13. Das Wasser noch sprach: „hältst du mich nicht erkannt,
Du wärst sogleich an der Sonn' verbrannt!"
Sie wollten noch länger da streiten —
Da mischte der Gastwirt die beiden.
ves Knaben Wunderhorn.
3. Var Vogelnest.
Rn eine Kirche kam ich einst zu wallen
Mit Klosterzellen, längst verlaßnen Hallen;
Rn spitz gebognen Zenstern ist zu schauen
Laubwerk und manche Blum', in Stein gehauen;
vor allen Bildern zierlich, wahr und lebend,
Lin steinern Vogelnest, am Rste schwebend;
Der Jungen Schnäblein heischend aufgerissen,
Die Mutter sie zu ätzen hold beflissen,
Sie wärmend mit den aufgespreizten Schwingen;
io Die Kleinen werden fliegen bald und singen.
Ich stand gefesselt von des Meisters Macht
Und sann gerührt, was er sich wohl gedacht,
hat er im Bild die Kirche still verehrt,
Wie sie getreu die Kinder schützt und nährt?
vom Bildner kündet uns die alte Sage:
Im Bilde redet des Gewissens Klage.
Ls lebt' ein Mönch, noch einer von den alten,
von jenen frommen, rührenden Gestalten.
Nein, alle segnend, allen mild und gut,
20 Wie Zrühlingswärme auf den Saaten ruht,