Full text: [Obertertia, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband])

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91. Ludwig Uhland. 
Gotthold Boetticher. 
Ludwig Uhland stammte aus Tübingen und lebte von 1787—1862. 
Neben seinem Berufsstudinm, der Rechtswissenschaft, widmete er sich schon als 
Student der Erforschung altdeutscher Dichtung und eigenen dichterischen Ber¬ 
suchen. Schon 1804 entstand „Der blinde König". Auf der Universität 
fand er einen anregenden Freundeskreis, in welchem Justinus Kerner be-5 
sonders hervorragte. Viele seiner schönsten Gedichte entstanden hier, wie 
„Die Kapelle", „Schäfers Sonntagslied", „Das Schloß ani Meer" und 
andere. 1810 ging er zu Studienzwecken nach Paris, wo ihn die altdeut¬ 
schen und altsranzösischen Schätze der Bibliothek fesselteil iiitb ihn zu wert¬ 
vollen wissenschaftlichen Abhandlungen anregten. Aus ihnen gingen auch 10 
die schönen, dem kindlichen Verständnis so angemessenen poetischen Erzählun¬ 
gen aus dem karolingischen Sagenkreis hervor, „König Karls Meerfahrt" 
und die Rolandsgedichte. 
Nach seiner Rückkehr fand er Beziehungen zu Chamisso und Eichendorsi 
und zu dem fünf Jahre jüngeren Gustav Schwab. Nach einer vorüber-15 
gehenden Amtstätigkeit wurde er Rechtsanwalt, gab aber die juristische Lauf¬ 
bahn bald ganz auf, uni sich ausschließlich seinen germanistischen Stildien 
und politischer Tätigkeit zu widmen. 
Trotz der Rheinbundspolitik Württembergs hatte sein Herz immer für 
das große deutsche Vaterland geschlagen, nur am Freiheitskampfe selbst konnte 20 
er nicht teilnehmen. Napoleons Bild stellte er in „Des Sängers Fluch" an 
den Pranger. Den Sieg begrüßte er jubelnd in der „Siegesbotschaft" 
Es rauscht und singt im goldnen Licht: 
Der Herr verläßt die Seinen nicht. 
Er macht so Heil'ges nicht zum Spott, 25 
Viktoria, mit uns ist Gott! 
und dem Vaterland, dem neuerstandenen, freien, möchte er alle seine Lieder 
weihen, wenn sie neben den heilig großen Opfern, die gebracht sind, noch 
Wert hätten („An das Vaterland"). Im Verein mit diesen erschienen 1816 
die „Vaterländischen Gedichte", in denen er auch die innerpolitischen Wirren 30 
Württembergs, die Verfassungsfrage, in freiheitlichem Sinne behandelte. 
Auch die Eberhard-Romanzen dichtete er in dieser Zeit als Mahnung an das 
alte, schöne Vertrauensverhältnis zwischen Fürst nnb Volk und zur Verherr¬ 
lichung kernigen Deutschtums. Der alten deutschen Treue aber, dem natio¬ 
nalen Erbteil, galten die beiden Dramen „Ernst, Herzog von Schwaben" 35 
(1817) und „Ludwig der Baier" (1818), jenes die Freundestreue bis zum 
Tode (Ernst von Schwaben und Werner von Kyburg), dieses die Heiligkeit 
des Manneswortes verherrlichend, das auch dem Feinde trotz eigenen Nach¬ 
teils gehalten wird und nicht minder große Denkweise bei dem Gegner findet. 
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