Full text: [Obertertia, [Schülerband]] (Teil 2 = Mittel- und Oberstufe, [Schülerband])

225 
und beim Sturme wird es hin und wieder geschehen, daß die Wagen ein Stück 
des alten Marschentorfes, der so in ihr Bereich gekommen ist, vom Grunde 
losreißen und ans Ufer werfen. 
Man hat diesen ausgeworfenen Tors früher auch wohl als ein Zeichen 
angesehen, daß die Meeresküste sich gesenkt hat. Man sagte sich: Bei seiner 5 
Entstehung muß der Torf im Meeresspiegel oder höher gelegen haben. Wenn 
er sich jetzt auf dem Meeresboden findet, so setzt dies ein Hinabsinken unter 
den Meeresspiegel voraus. Allein, daß dieser Schluß nicht zwingend ist, 
haben wir oben gesehen. Gewiß muß die Oberfläche des Moores, in dem der 
Torf entstand, ein wenig über den Meeresspiegel hinausgeragt haben. 10 
Nehmen wir aber selbst an, es hätte einen halben Meter höher gelegen und 
hätte eine Dicke von 3 m gehabt, so würde sein Grund 2% m unter dem 
Meere gelegen haben. Hätte nun der darüber hingehende Sandwall den 
Tors auf ein Sechstel seines Volumens zusammengepreßt, was keineswegs 
eine übertriebene Annahme ist, so wäre er beim Erscheinen jenseits der 15 
Nehrung nur noch Vz m dick gewesen; wem: also sein Boden 2% m tief lag, 
so lag seine Oberkante 2 in tief. 
So ist das Auftreten dieses „untermeerischen" Torfes ohne jede Senkung 
der Küste zu erklären; aber aus anderen Erscheinungen ergibt sich, daß wir 
trotzdem mit Hebungen und Senkungen des gesamten Landes gegenüber dem 20 
Meere rechnen müssen. Bewegungen solcher Art haben natürlich einen großen 
Einfluß auf die Entwicklung der Küstenformen. Wir hatten gesehen, daß die 
Brandungsterrasse, die an Stelle des zerstörten Küstenstreifens entsteht, die 
Kraft des Meeres insofern bricht, als die Wellen hier in dem seichten Wasser 
sich schon mehr oder weniger erschöpfen, ehe sie gegen den Strand rollen. 25 
Denken wir uns nun aber gleichzeitig mit dem Vordringen des Meeres gegen 
die Küste auch ein Sinken des ganzen Landes, so sinkt auch diese Brandungs¬ 
terrasse tiefer, sie wird von einer breiteren Wasserschicht überflutet, und an 
der neuen Küstenlinie nagt immer wieder ungebrochener Wogenschwall. 
Umgekehrt, wenn sich das Land hebt, so muß eben jene Brandungsterrasse 30 
über den Meeresspiegel emportauchen. Die alte Strandlinie rückt ins Bin¬ 
nenland hinein und wird sich hier als eine scharfe Kante dauernd abheben. 
An unseren deutschen Küsten haben wir dafür kein Beispiel, wohl aber sind 
derartige Vorgänge an der schwedischen Küste zu erkennen; doch führt dies 
über den Nahmen unserer Betrachtung hinaus. 35 
Wenn auch gewisse Anzeichen dafür sprechen, daß einzelne Stellen der 
deutschen Ostseeküste zeitweise noch tiefer gelegen haben wie heute, so ist doch 
der Charakter der ganzen Küste derart, daß wir sie als eine Senkungsküste 
bezeichnen müssen. 
Ob diese Senkung noch heute andauert, ist außerordentlich schwer zu 40 
sagen, und vieles ist dafür wie dagegen angeführt worden. Das einzige, was 
Paulstek, Deutsches Lesebuch für Obertertia. 
15
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.