Full text: [Untertertia, [Schülerband]] (Untertertia, [Schülerband])

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inneren Linie fehlt der Grenzwall, es ist nur die Palisade nachzuweisen. 
Anderseits zeigen gerade hier die Bauinschriften der Türme, daß die Linie 
im Jahre 148 noch die Grenze bildete. Die östliche Linie dagegen hat den 
Wall und nur Steintürme. Sie bezeichnet also eine jüngere Grenze. Vor 
5 dem Jahre 161 aber sind bereits die Kastelle der östlicheren Linie gebaut. 
Um diese Zeit hat man also die Grenze des Römerreiches noch einmal nach 
Osten verschoben, zunächst noch immer als eine Palisade, an deren Stelle 
erst noch später, wahrscheinlich erst unter Kaiser Caracalla der Wall und 
Graben getreten ist, der das Römerreich möglichst vom freien Germanien 
10 abschließen sollte — ein Wahrzeichen der immer drohenderen Germanen¬ 
gefahr. 
So hat eine methodische Forschung uns gelehrt, daß der Limes kein 
einheitliches Werk ist, sondern daß über hundert Jahre verflossen sind, ehe 
er seine endgültige Gestalt erhalten hat. 
5. 
15 Mit der Vorschiebung der Grenze aus die äußere Limeslinie hat das 
Römerreich in Deutschland seine größte Ausdehnung erreicht, eine Aus¬ 
dehnung, die es freilich nur noch etwa 50 Jahre hat behaupten können- 
Immer häufiger wiederholen sich die Germaneneinfälle; Chatten, Aleman¬ 
nen, Franken rütteln an der obergermanischen Grenze. Schon unter Kaiser 
20 Galien in der Mitte des 3. Jahrhunderts geht das gesamte rechtsrheinische 
Gebiet bis auf ein paar vorgeschobene Posten nahe dem Ufer, wie Wiesbaden, 
Ladenburg, wieder verloren. Der Rhein wird wieder die Grenze, und ist 
Grenze geblieben, bis im Jahre 406 Stilicho die Legionen vom Rhein ab¬ 
berief. Wenn in den anderthalb Jahrhunderten nach der Aufgabe des Limes 
25 auch ein und der andere tatkräftige Kaiser sich nicht darauf beschränkte, die 
Rheingrenze zu behaupten, sondern hinüberzuziehen ins germanische Gebiet, 
die Feinde im eigenen Lande aufzusuchen und ihnen dort Respekt vor den 
römischen Waffen beizubringen — zu einer dauernden Besitzergreifung rechts¬ 
rheinischen Gebietes haben diese Züge nicht mehr geführt. 
30 Viereinhalb Jahrhunderte hat das linke Rheinufer, noch etwa ein 
halbes Jahrhundert länger, bis etwa 450, das Moselgebiet und Trier dauernd 
unter römischer Herrschaft gestanden, nur 200 Jahre, zum Teil sogar nur 
100 Jahre das rechte. Das muß einen tiefgehenden Unterschied in der 
kulturellen Entwicklung der beiden Rheinufer bedingen, auf ben hinzuweisen 
35 sich in den folgenden Betrachtungen noch mehrfach Gelegenheit bieten wird. 
Links vom Rhein eine unter Jahrhunderte langer römischer Herrschaft sich 
zu reicher Blüte entfaltende Provinz, rechts ein militärisch besetztes, häufigen 
räuberischen Einfällen der Germanen ausgesetztes Grenzland. Und war 
dieser Unterschied schon ein großer, um wieviel größer muß noch die Kluft
	        
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