Full text: [Teil 4 = Siebentes (und achtes) Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 4 = Siebentes (und achtes) Schuljahr, [Schülerband])

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IV. Das deutsche Volk. 
wurde deshalb, weil er früher dem Kronprinzen entgegen gewesen, 
vom Könige verantwortlich gemacht. „Die Dekoration des Gebäudes 
wird eine andere sein, aber die Fundamente, die Mauern bleiben 
unversehrt," so hatte Friedrich bei einer früheren Veranlassung 
geäußert, und so geschah es jetzt. Der festgegründete und wohl¬ 
gefügte, aber düstere und kasernenhafte Bau seines Vaters sollte 
licht nnd wohnlich werden. Nicht der äußere Zwang sollte zur Er¬ 
füllung der starren Pflicht treiben, sondern durch die höheren Ziele, 
die Friedrich dem Staate steckte, sollten zugleich die Pflichteu der 
Bürger für den Staat geadelt, die Erfüllung derselben ihnen zunr 
freudigen Stolze gemacht werden. Er betrachtete sich selbst nur als 
den ersten Diener des Staates. Wie anders als jenes prahlerische 
e'68t moi“, das König Ludwig XIV. auf die Stirnmauer 
seines Staatsgebäudes setzte, klang der Grundsatz Friedrichs: „Es 
ist nicht nötig, daß ich lebe, wohl aber, daß ich meine Pflicht thue 
und für das Vaterland kämpfe." 
Friedrich wollte seine Unterthanen in den Genuß der hohen 
Güter der Geistes- und Gewissensfreiheit setzen und das Bewußtsein 
wahrer Menschenwürde in ihnen wecken. „Die Unwissenheit und 
die Vorurteile zu bekämpfen, die Köpfe aufzuklären und die Sitten 
zu kultivieren," das erklärte Friedrich für die Hauptaufgabe seiner 
Regierung. Es war kein fertiges System, das er aufstellte, aber 
alle seine Verfügungen atmeten den selbständigen Geist und den 
hohen Sinn des Fürsten, sowie die Ideen einer neu anbrechenden 
Zeit. — 
Durch eine Maßregel der Wohlthätigkeit, das Öffnen der könig¬ 
lichen Magazine und den Verkauf des Kornes zu einein billigen 
Preise gewann sich Friedrich schon im Anfange seiner Regierung 
die Herzen der Armen. Am dritten Tage seiner Regierung (3. Juni¬ 
verfügte der König die Aufhebung der Folter beim Gerichtsverfahren. 
Alles geistige und wissenschaftliche Streben fand in König 
Friedrich einen freisinnigen Beschützer. Die tief gesunkene Akademie 
der Wissenschaften in Berlin erhielt in dem Gelehrten Maupertuis 
— demselben, welcher den Beweis für die Abplattung der Erde an 
den Polen geführt — einen neuen Präsidenten; Gelehrte und Forscher 
aus dem Allslande, nainentlich aus Frankreich, wurden in dieselbe 
eingeladen. Der König ließ es sich angelegen sein, den unter feinem 
Vater aus Halle verwiesenen Philosophen Wolff zur Rückkehr zu 
bewegen und ersuchte dessen Freund, den Propst Reinbeck in Berlin,
	        
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