Heinrich Voß der Jüngere an Christian Niemeyer.
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in den Wolken allerlei Bilder zeigte, die ihre kindliche Phantasie ge¬
schäftig ausmalte. Sie sahen Dörfer und Städte am Wolkenhinunel.
„Da sehe ich ein großes Schloß!" rief Ernst. Karoline sah es lange
an. „Ja!" rief sie endlich, „es ist das Haus vom lieben Gott; aber
der Papa wohnt mit darin." — Du kannst Dir leicht denken, daß
eine Mutter von solchen Kindern noch Freude am Leben hat. Es sind
liebenswürdige Kinder, ganz würdig ihres Vaters, Kinder seines Geistes
und Herzens. —
Lieber Bruder, ich habe mich heiter und traurig geschrieben: heiter
durch die Erinnerung an den liebenswürdigsten aller Menschen; traurig,
daß nirgends inehr auf Erden zu finden ist, was in heiliger Erinne¬
rung fortlebt. Nur wer reich war, konnte einen schmerzlichen Verlust
empfinden. Ich fühle es noch, daß ich durch Schiller reich bin, drum
ist mir auch sein Verlust heilig. Wer Schiller nicht persönlich gekannt
hat, dem ist das Bittere seines persönlichen Verlustes erspart worden;
aber er trägt auch den unversieglichen Schatz nicht im Busen, den
Schillers vertraute Freundschaft mir gewährt hat. Ich tausche nicht
mit ihm. Schiller ist nicht mehr; aber was er aus mich gewirkt
hat, lebt fort, und so ist er für mich nicht gestorben; und seine Ge¬
stalt, seine Milde, sein gemütliches Wesen — alles lebt noch frisch
in meinem Herzen unb wirkt noch unaufhörlich in mir zu guteu
Entschlüssen.
Die Griesbach hat mir oft erzählt, wie Schiller, als er noch in
Jena im Griesbachischen Hause wohnte, mit seinem Knaben gespielt
habe. Eines seiner Lieblingsspiele mit ihm sei Löwe und Hund ge¬
wesen, und bald habe Schiller, bald sein Karl den Löwen agiert, und
alle beide seien dann auf vier Füßen im Zimmer herumgekrochen.
So habe auch ich ihn mehrmals gefunden, daß er auf der Erde lag
und mit einem seiner Kinder spielte, und dann kam er mir größer
vor als jener König, der so von einem spanischen Ambassadeur über¬
rascht wurde. Am heitersten war Schiller bei Tische, wenn er sein
Häufchen beisammen hatte. Dann saß er beständig zwischen zweien
seiner Kinder und liebkoste und tändelte mit ihnen bei jeder Gelegen¬
heit. Die Kinder hatten ihn auch unbeschreiblich lieb. Wenn eins
§u ihm ins Zimmer kam, so kletterte es an ihm hinan, um ihn zu
küssen, und manchmal kostete es Mühe, zum Zweck zu kommen: denn
Schiller war sehr lang und that im geringsten nichts, um es den
Kindern zu erleichtern, zu seinem Munde emporzuklettern.
Nichts konnte Schillern mehr Freude gewähren, als wenn er