Vorwort.
Dem deutschen Lesebuch für die dritte Klasse der höheren Mädchen¬
schule, d. h. für den Beginn der Oberstufe, ist durch die neuen
Lehrpläne ein wichtiges und dankbares Feld zugewiesen, denn hier ist
ihm, wie an keiner anderen Stelle, die umfassendste Gelegenheit ge¬
boten, sein ausgesprochen nationales Gepräge damit zu gewinnen,
daß es so gut wie ausschließlich auf dem Boden des deutschen Volks¬
tums und Geisteslebens sich bewegt.
Vorab soll es die ersten Einwirkungen des Römertums auf die
Germanen schildern, die Einflüsse einer in ihrer Blüte stehenden
Kultur auf ein in seinen Sitten noch unverdorbenes, mit reichen An¬
lagen ausgestattetes und in seiner edlen Leidenschaftlichkeit noch
leicht erregbares Naturvolk. Der Gärungsprozeß beginnt. Die
Völkerwanderung bringt die Germanen in neue und engere Be¬
ziehungen zur römischen und griechischen Welt; die ungebändigte
Thatenlust fügt sich edleren Gesetzen; die deutsche Heldensage über¬
liefert uns den Niederschlag einer höheren Auffassung des Helden¬
tums, in dein die unüberwindliche Heldenkraft durch ihre Unter¬
ordnung unter die strengsten Forderungen der Ehre und Treue ge¬
adelt wird.
Aber weit mehr als durch diese fremden Einflüsse wird die
wachsende Gesittung durch die urdeutsche Verehrung der Frauen be¬
herrscht und geleitet. Im Volke und an bett Fürstenhöfen ist die
Frau die Trägerin und Hüterin der Sitte. Darutn ist bei den
Deutschett von alters her weit tttehr als bei den romanischen Völkern
das Walten und Wirken der Frau mitbestiminend im Hause, wie
im öffentlicheu Leben. Dem deutschen Frauenleben wird darum in
der Geschichte der deutschen Kultur eine besondere Aufmerksamkeit
zuzuwenden sein.