IV
Die Freude am Schönen, Edlen und Erhabenen erzeugte schon
im Mittelalter eine scharf ausgeprägte deutsche Kunstentwickelung. In
der Zeit der Renaissance wird sie fremden Einwirkungen mehr zu¬
gänglich, ohne jedoch ihre besondere Art darüber aufzugeben. Sie
lernt die großen Schöpfungen des Altertums kennen und verstehen;
noch heute ist deren Einfluß auf unsere Kunstanschauung lebendig.
Auch hier hat das Lesebuch Rundschau zu halten und an einzelnen
hervorleuchtenden Beispielen das Verständnis für dieses Gebiet des
deutschen Geisteslebens in unserer Jugend zu wecken.
So greisen also die vielfach verschlungenen Kreise der deutschen
Geschichte, der deutschen Kultur, der deutschen Knifft und Litteratur,
kurz alle Zweige des öffentlichen und häuslichen Lebens ineinander.
Aus diesem überreichen Stoff kann das Lesebuch nur ausgeschnittene
Bilder bringen, da ihm sein Unlfang vorgeschrieben ist. Aber auch
bei der vorsichtigsten Beschränkung aus das Wertvollste und Einfachste
wird dennoch der Fassungskraft von Schülerinnen der 3. Klasse viel
zugemutet werden müssen. Manches soll darum einer eingehenderen
Behandlung in der nächsteil Klasse vorbehalten bleiben, da nach ben
neuen Lehrplänen die Weiterbenutzung desselben Bandes in der
2. Klasse sicherlich nicht ausgeschlossen sein soll.
Rach diesen Gesichtspunkten wurde der Inhalt des hier vor¬
liegenden 4. Bandes von Paldainus D gesammelt und geordnet.
Gegenüber dein reicheii Maße der Prosa kann die beigegebene
Auswahl voll Gedichten für etwas spärlich gehalten werden. Um
jedoch den Umfang des Buches gemessene Grenzen nicht überschreiten
zu laffeu, erschien es zulässig, den poetischen Teil auf das Not¬
wendigste zu beschräukeii, da die Sammlung der „Lieder und Gedichte"
doch bald den Schülerinnen in die Hand gegeben werden inuß.
Dieser 4. Band bildet den Abschluß der neuen Ausgabe D des
Lesebuchs; er wird mehr als die vorausgehenden Teile die grund-
legendeii Absichten offenbaren, auf benen die ganze Arbeit beruht.
Möchten dieselben doch ails deiil rechten Geiste hervorgegangen fein
und die Einmütigkeit der Anschauungen über die richtigsteil Wege
der Erziehung unserer Mädchen fördern helfen.
Frankfurt a. M., den 25. Oktober 1895.
K. Weyorn.