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das Urbild einer Stadt von Ostafrika, welches nur schwache Wiedergaben in
den Hauptplätzen an der Küste des Festlandes hat. Sansibar liegt unmittelbar
an der Bucht, es bietet von fern in seinen lichten Farben unter dem mattblauen
Himmel, umgeben von Mango- und Palmenhainen, einen immerhin wohllio
thuenden Anblick. Die Natur ist in lauem Dunste gebadet, die träumerische,
schläfrige Ruhe nimmt den Fremden gefangen, wirkt auf ihn erschlaffend; das
Leben ist demnach träge und erscheint einförmig. Die für Europäer bewohn¬
baren Häuser sind arabischer Bauart. Es sind regelmäßige, viereckige Gebäude,
zwei Stockwerke hoch; das Innere weist einen offenen Lichtraum auf, so daß 15
von allen Seiten Luft in die Räume dringen kann. Die Mauern sind stark,
aus Korallenbrnch und Kalk aufgeführt, weiß getüncht; die Fenster sind hoch,
ganz oder teilweise mit Gittern bewehrt. Grün oder blau gestrichene Fenster¬
läden halten die Sonne ab; die Thore sind massiv gearbeitet aus Teak- oder
auch Mangrovenholz, mit gefälligen arabischen Schnitzereien versehen. Einige 20
Gebäude stechen besonders ins Äuge: der alte und neue Sultanspalast, der
Harem, die Konsulatsgebäude, die französische und englische Mission und andere.
Äufsallend ist zwischen diesen freundlichen Häusern ein graues, altersschwaches
Fort, welches als Gefängnis dient. Niemand begehre diese Löcher zu sehen;
dort herrscht die Roheit, wie sie nur unser Mittelalter kannte. An das euro- 25
päische Viertel -schließt sich das der Araber und Hindu. Hier ist das Handels¬
quartier, Reichtum und Armut sind hier beisammen; aber noch weiter liegen die
armseligen Hütten der Neger zwischen Haufen von Unflat. Dies sind die Freige¬
lassenen, die Wangwana, die arbeitende lasttragendeKlasse der Bevölkerung, kräftig
und froh; sie sind es, die jeder Reisende als Träger für seine Karawane begehrt. 80
In der Umgegend stehen reizende Landhäuser wohlhabender Araber und Hindu
mit Gürten umgeben, die mit Verständnis angelegt sind. Das umliegende
Land ist bebaut, Zuckerrohr und Hirse (Mtama) sind vorherrschend, dann
Maniokbrod. Zahlreich sind Kokosnuß-Palmen, Bananen, Orangen-, Pome-
ranzen-Bäume. Ganze Strecken sind von ihnen bestanden; dazwischen bemerkt 35
man die Gewürznelke, den Zimmtbaum und uralte Mangobäume. Unter den
Einwohnern, die auf 75000 geschätzt werden, sind mancherlei Rassen und
Stämme vertreten: Europäer, Araber, Perser, Hindu, Belutschen, Somali,
Suaheli und andere Neger Afrikas, die ihr Geschick freiwillig oder unfreiwillig
hierher verschlagen. Sklaven werden noch heute gehalten, aber ein Sklaven-40
markt selbstverständlich nicht mehr.
Das Leben ist für den Europäer außerordentlich einförmig. Die brennen¬
den Sonnenstrahlen nötigen ihn, das Hans bis einige Stunden vor Sonnen¬
untergang zu hüten; die Gefahr des Sonnenstichs ist in den Mittagsstunden
eine sehr große. Am Abend beleben sich aber die Promenaden außerhalb der 45
Stadt, wo die Angehörigen verschiedener Nationen ihre Klubs haben und
gesellig sich vereinigen. Nach der Mahlzeit genießt man die erquickende Abend-
luft, ausgestreckt in den Lehnstühlen aus dem platten Dache des Hauses, von
wo ein Blick über den belebten Hasen und auf das Meer möglich ist. Die
Straßen zeigen nur zu häufig die arabische Nachlässigkeit und Unsauberkeit, 50
selbst in dem europäischen Viertel. Nun aber erst die schmalen Straßen und