Full text: [Teil 7 = (8. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 7 = (8. Schuljahr), [Schülerband])

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man blot noch sine Fru un einzige Dochter, de Minna, um sick, un hei 
bliwwt de letzte Konring. 
Kirchenvorsteher Grootkas aber ist nicht zu erweichen. HIIc guten 
Gründe prallen an seinem niedersächsischen Dickschädel ab. Gr bleibt 
dabei: noch hundert Jahre hätte die alte Grgel aushalten müssen. 
Die kleine Glocke ist längst zum Schweigen gekommen. Jedoch 
in „Zum vier Linden", ihrem Stammgasthause, streiten die Bauern 
hitzig weiter, bis sie ihre Stuten gegessen und die Pastoren ausge- 
trunken haben und die große Glocke sie dann in die Kirche rüst. 
Oben im Turme den letzten Zug am Strick der kleinen Glocke 
hat der Fichtenhagener Kantor Johannes Konring getan. In Fichten¬ 
hagen ist der Kantor auch zugleich Küster, und so hat er denn Sonn- 
tags eine halbe Stunde vor Beginn des Gottesdienstes die kleine Glocke 
zu läuten. „Täng, töng — töng!" noch dreimal hat der Klöppel 
im Ausschwingen angeschlagen. 
In Schweigen hüllt sich wieder das alte verwitterte Gotteshaus. 
Um den plumpen, viereckigen Turm und sein stumpfes Ziegeldach 
schießen Schwalben unaufhörlich hin und wieder, in weitgeschwunge¬ 
nen Bögen. Einzig das Flattern, Piepsen und Schirpen zahlreicher 
Sperlinge und Sprehen unterbricht die sabbatliche Stille. Im hochgiebe- 
ligen Dach über dem langgestreckten Hallenbau aus groben Feldsteinen 
und Füllziegeln haben die Sperlinge und Sprehen sich ein förmliches 
kleines Staatswesen gegründet. Liner ungeheuren Kinderstube gleiches 
heute am Sonntage Kantate. So oft die Ulten mit Atzung herange¬ 
flogen kommen, fangen die Nimmersatten kleinen Schluckhälse im Neste 
gar beweglich an zu zirpen. 
Ans mittlere große Schalloch vorn unter der Uhr, die in Fich¬ 
tenhagen nur die Stunden zeigt und mit nur einem Zeiger auskommt, 
schreitet der Kantor, vorsichtig auf schwankem Brett,' gelehnt an einen 
Glockenstuhlbalken, schaut er sodann regungslos hinaus. Sein Antlitz 
ist gerötet, die Augen leuchten, heiß geht ihm der Atem. Über seinem 
Haupte schwer herab hängt die große Glocke in ihrem luftigen Stuhl, 
aus vielfach eisenbeschlagenen Lichenstämmen roh gezimmert, und die 
Trittbretter an der seltsam gewundenen Glockenkrone greifen kühn 
weitaus in die Luft. Einem Kinde gleich, Schutz am Bocke der Mutter 
suchend, schmiegt sich die kleine Glocke an die große. Den Läutestrick 
der kleinen Glocke hat der Kantor an einen haken unten im Stuhle 
sorglich wieder festgebunden. In die Aste der uralten Linde vorm 
Turm auf dem Kirchhofe versenken sich seine Blicke, wie er nun so 
zum Schalloche hinausschaut. 
Die Linde ist so alt wie die Kirche. Als man vor vielen Menschen¬ 
altern das Gotteshaus weihte, ist sie gepflanzt worden. In lustigem
	        
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