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Und was erzog ihn alles! Da erwachte er des Morgens, und
fein hauch war sichtbar in der kalten Luft unter dem kalkverputzten
Ziegeldach, und die kleinen Fensterscheiben waren dick gefroren. Und
unten in der Stube saß er dann am Fenster, sah, wie die Schneeflocken
niedertanzten und sich sanft auf Zweige legten und auf Bretter und
auf den Erdboden, der mit kleinen Steinchen bedeckt gewesen,' aber
wenn die großen Flocken ans Fenster wehten, so vergingen sie schnell
indem sie niederglitten. Kn manchen Tagen, wenn es nicht schneite
und sehr kalt war, taute auch in der Stube das Fenster nicht ab'
dann hauchte er an die Scheibe und schmolz sich ein rundes Loch
zum Ausschauen,' im Augenblick war es wieder mit einer dünnen
Eishaut bedeckt, die war aber nicht weiß. Im Walde war ein Krachen,
Tönen und Donnern,' und der Wald stand doch ruhig und unbewegt
mit seinen schneebedeckten Zweigen in der Hellen Sonne. Wenn die
Kälte so groß war, so wurde das herz leicht und lustig und ver¬
langte nach Gefahren,' dann dachte er an den letzten Luchs, den fein
Großvater hier geschossen, und seine Fäuste ballten ficf); und an die
Franzosenzeit dachte er, wie da das ganze Dorf in den Wald ge¬
zogen war, und er schämte sich, daß alle solche Furcht gehabt hatten.
Denn wer recht hat und Gott fürchtet, der muß ausharren, wie im
Buch der Makkabäer erzählt ist von den sieben Brüdern und ihrer
Mutter,' wie die Mörder sechs zu Tode gemartert hatten, da sprach
der letzte, der noch ein Kind war: „Woraus harrt ihr? Gedenket
nur nicht, daß ich dem Tyrannen hierin gehorsam sein will," und
ließ sich auch martern, trotzdem er noch klein war.
Abends las die Großmutter oft lange vor aus der alten Bibel,
deren Blätter braun geworden waren durch die Finger so vieler vor¬
fahren, die jetzt lange vergessen lagen in ihren rasenbedeckten
Gräbern,- aus den Geschichtsbüchern im Alten Testament las sie und
aus den Evangelien und der Offenbarung Johannis, von dem himm¬
lischen Jerusalem und von der Schale des Zorns und von den vier
Beitern und dem Tier, das über den Gewässern sitzt. Wenn Hans
dann mit ihr sprach über das Gelesene, so wunderten sich beide über
die Verstocktheit derer, die den Herrn töteten, und freuten sich, daß
wir die Offenbarung haben und daß unser Herr Jesus für uns
gestorben ist, an den wir glauben müssen. Und wir sehen alle Tage,
daß der Gerechte siegt und der Ungerechte vergeht,' denn wenn auch
ein schlechter Mensch scheinbares Glück hat, so verrinnt das doch bald,
wie es Klaus Hörgen geschah, der aus der Fremde heimkam mit einem
großen vermögen, sich ein Haus kaufte und nichts mehr tat,' was
geschieht? Nach ein paar Jahren wurde ihm sein Haus wieder verkauft,