Full text: [Teil 7 = (8. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 7 = (8. Schuljahr), [Schülerband])

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umsonst oder gegen geringe Bezahlung mit allen Bequemlichkeiten warm 
und kalt gebadet wurde. Dieser uralte deutsche Brauch ging durch den 
Krieg fast verloren,' noch jetzt ist er nicht im alten Umfange wieder¬ 
gefunden. 
In den ansehnlichen Städten waren die Häuser der innern Stadt 
um das Jahr 1618 in großer Mehrzahl aus Stein, bis drei und mehr 
§tock hoch, mit Ziegeln gedeckt. Die Bäume des Hauses werden oft als 
sauber, zierlich und ansehnlich gerühmt, die wände häufig mit ge¬ 
wirkten und gestickten Teppichen, sogar von Sammet, und mit schönem 
kostbarem Täfelwerk, auch anderem Zierat geschmückt, nicht nur in 
den alten großen Handelsstädten, auch in solchen, die in jüngerer Kraft 
aufblühten. Zierlich und sorgfältig gesammelt war auch der Hausrat. 
Noch war das Porzellan nicht erfunden, reichliches Silbergeschirr fand 
sich nur an großen Fürstenhöfen und in wenigen der reichsten Kauf¬ 
mannsfamilien. Rn dem einzelnen Stück von edlem Metall erfreute noch 
mehr die kunstvolle Rrbeit des Goldschmiedes als die Masse. Die 
Stelle des Silbers und Porzellans aber vertrat bei dem wohlhabenden 
Bürger das Zinn. In großer Menge, hellglänzend aufgestellt, war 
es der Stolz der Hausfrauen,' daneben feine Gläser und Tongefäße 
aus der Fremde, oft bemalt, mit frommer oder schalkhafter Umschrift 
versehen. Dagegen war Kleidung und Schmuck auch der Männer weit 
bunter und kostbarer als jetzt. Noch war darin der Sinn des Mittel¬ 
alters lebendig, eine Richtung des Gemüts, der unsern gerade entgegen¬ 
gesetzt, auf das äußere, das Buge Fesselnde, auf stattliche Repräsenta¬ 
tion, und diese Neigung wurde durch nichts so sehr erhalten als durch 
die entsprechenden Bemühungen der (Obrigkeit, auch das äußere Rus- 
sehen des einzelnen zu regeln und jeder Bürgerklasse ihr eigenes Recht 
zu geben gegen vornehme und Geringere. Die endlosen Kleiderordnun¬ 
gen gaben der Kleidung eine unverhältnismäßige Wichtigkeit, sie nähr¬ 
ten mehr als etwas anderes die Eitelkeit und die Sucht, sich über 
seinen Stand herauszuheben. Ls ist für uns ein komischer Kampf, den 
durch vier Jahrhunderte bis zur französischen Revolution die würdig¬ 
sten Behörden gegen alle Saunen und Russchreitungen der Mode führen, 
stets erfolglos. 
In solcher (Ordnung tummelte sich ein kräftiges, arbeitsames, wohl¬ 
habendes Volk mit Selbstgefühl, eifersüchtig hielt der Bürger auf Pri¬ 
vilegien und Rnsehen seiner Stadt, gern bewies er sich unter seinen 
Mitbürgern reich, tüchtig und unternehmend. Noch war Handwerk 
und Handel in starkem Gedeihen. Zwar im Großverkehr mit dem 
Rusland hatte Deutschland bereits viel verloren, der Glanz der Hansa 
war längst verblichen, auch die großen Handelshäuser Rugsburgs und 
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