Full text: Deutsches Lesebuch für Volks- und Bürgerschulen

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Durchbruch des Hafdeichs doch noch schützen können. — Weil die Deiche 
meistens erhaben und daher trockener sind als die tiefliegenden Marschen 
so fäͤhrt man gern auf ihren Rücken hin, und es bilden sich daher nament⸗ 
lich auf den Binnendeichen Wege aus. Auf den Hasdeichen zu fahren, 
erlaubt man aber nicht in allen Marschländern, weil die Wagen dem 
Deiche schaden. — Die auf den hohen Deichen sich bewegenden Wagen, 
Fußganger und Reiter gewähren in der Ferne einen eigentümlichen Au— 
blick. Sie sehen gespenstisch aus, und man begreift, warum die Marsch⸗ 
bewohner so oft Gespenster auf den Deichen wandeln sehen. 
Als letzte Eigentümlichkeit muß man noch die tiefen Gräben er— 
wähnen, die um alle Marschwiesen und Marschäcker gezogen sind, um sie 
trocken zu legen, und dann die Kanäle und Schleusen, um die süßen Land⸗ 
gewässer ins Meer abzuführen. Im Sommer sind die Gräben zum Teil 
ocken und voll Vieh, das darin grast. Die Kühe schiegen mir alle 
außerordentlich zahm, sanft und klug; denn eine jede, bei der wir vorbei 
fuhren, hob ihren Kopf aus dem Grase empor, blickte uns neugierig an 
und brüllte, als wollte sie uns begrüßen. J. G. Kohl. 
288. Die Eiche. 
Wie man den Löwen mit Recht den König der Tiere nennt, weil 
ihm der Schöpfer das Siegel der Kraft auf die Stirn gedrückt so ist 
auch unter allen unsern Waldbäumen die Eiche eine königliche Majestät, 
hor der jede andere Baumgröße sich beugen, und welche der Mensch mit 
Ehrfurcht betrachten muß. In der Eiche vereinigt sich Schönheit und 
Slaͤrke mit fast unvergänglicher Dauer; in ihr lebl eine Riesenkraft, die 
sich zwar langsam, aber sicher und majestätisch entwickelt. An Höhe mit 
den hohen Fichten und schlanken Tannen wetteifernd übertrifft sie an 
Slane die farksten, mit ihr verglichen, ist jeder andere Baum schwach 
Man findet Eichen von 10 m im Umfang und 44 m Höhe. Eine 
Eiche von 30 Jahren kann aber ein Knabe noch mit seiner Hand um⸗ 
spannen, und erst nach 200 Jahren ist der mächtige Baum völlig aus— 
zewachsen. Dafür gehl aber auch sein Alter noch über fünf Jahrhunderte 
hinaus. Ein alter Eichbaum mit seiner rauhen, geborstenen, von Movs 
durchfurchten Rinde steht inmitten der jungen, schnell lebenden Baumwelt 
da bie an greiser Erzvater unter seinen Kindern, Kindeskindern und Ur— 
Mleln. Gaschlechter auf Geschlechter sind erstanden und vergangen wie 
ne Blume des Feldes; aber der Alle ist im Sturme der Jahrhunderte 
inerschuttert geblieben, eine wunderbare Gotteskraft hat ihn erhalten zum 
lebendigen Zeugnis einer längst entschwundenen Zeit, von welcher nur die 
Sage berichtet. 
Was ur Geschichten könnte manche Eiche erzählen würde ihr die 
Rede derlehen! Di Eiche, von deren Holze der altertümliche Schrank 
Ind der unberwüstliche Asch, den du von deinen Großeltern überkommen 
hast, gearbeitet wurde, sie hat vielleicht noch die alten heidnischen Sachsen 
beine Slammvaler, umter ihrem Schatten lagern sehen, ihrem tapferen 
Slelle un den mächligen Franken zugeschaut und sich altdeutscher Größe 
und Herrlichkeit gefreun wenn sie dem nervigen Arme des kriegslustigen
	        
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