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reihten Stückchen Bergkristall. Sie sind nicht eben ganz gleich an Form,
aber sehr sorgfältig nach annähernder Ähnlichkeit zusammengelesen. Sie
zu schleifen, bis sie in ihrer Durchsichtigkeit hell leuchteten, mag mühsam
genug gewesen sein, noch viel mühsamer jedoch das Durchbohren. Sigune
weiß wohl, was das für Arbeit kostet, mit einem spitzen Splitter von
Quarz oder Feuerstein einen noch dazu kleinen, harten Körper zu durch¬
löchern, ohne ihn zu zerbrechen, und sie kann sich gar wohl vorstellen,
wie manche lange Stunde, beim weidenden Vieh sitzend, der Hirte daran
gearbeitet haben mag. Herzlich gerührt, dankt sie dem freundlichen Geber.
Plaudernd sitzen sie noch eine Weile zusammen. Dann ruft Alpin
seinem Hunde: „Komm, Rpno, wir gehen! Gut' Nacht!" und entfernt
sich. Durch ein paar Zwischengänge des Pfahldorfes gelangt er bald
zur Hütte seines Vaters. Den findet er niesend und hustend, dazwischen
scheltend aus einen vor ihm liegenden Stein, der seiner bearbeitenden
Hand sichtbare Schwierigkeit entgegensetzt. Es ist ein ovaler Kiesel von
der Größe einer starken Männerhand, und der Alte ist beschäftigt, ihn
der Länge nach zu durchsägen. Seine Säge besteht aus einem nur zwei
Zoll langen Stück Feuerstein mit unregelmäßig gezahntem Rande. Der
Kiesel soll zwei Äxte geben, aber die Säge stößt auf eine Verhärtung
und kann nicht vorwärts kommen. Schon zwei Tage lang hat sich der
Alte daran abgemüht, nun hat er die Geduld verloren, und mißmutig
schleudert er den Stein auf den Estrich. Unfreundlich begrüßt er den
Sohn, der sich daher bald wieder verabschiedet.
Am Ende des Pfahldorfes stehen drei große Ställe für die Herden.
Die untergeordneten Hirten schlafen auf Heu- und Strohlagern bei dem
Getier; Alpin, der Oberhirt, hat seine besondere kleine Hütte daneben.
Dorthin begibt er sich und streckt sich auf seine Felle nieder. —
Die Nacht verstreicht. Wir verfügen uns ans Land und sehen in
der Morgendämmerung einen schlanken Burschen dem See zuschreiten.
Eine Pelzmütze bedeckt sein dunkles Lockenhaupt. Er trägt einen Gürtel,
vorn mit einer großen Erzplatte geschmückt, deren dünne Flüche mit
vielen Linien und kleinen getriebenen Buckeln verziert ist. An diesem
Gürtel hängt links ein ehernes Schwert in eherner Scheide und rechts
ein breiter, stark kegelförmig in die Spitze zulaufender Dolch von dem¬
selben Metall. Ein Sack aus Rehsell hängt auf seinem Rücken, mit
einer Schnur zusammengezogen, wie ihn die Gebirgsbewohner als
Rucksack noch heute tragen.
Rasch, mit elastischem Schritte, nähert sich der Wanderer dem
Seeufer. Nahe dem Ziele führt ihn sein Weg an vier grauen, dunkeln
Steinmalen vorüber. Sie scheinen gottesdienstliche Bedeutung zu haben.
Eines von ihnen besteht aus einer rohen, mächtigen Granitplatte, die
wagerecht auf vier ebenso rohen steinernen Stützen ruht. Es wird
wohl ein heiliger Tisch, ein Altar, sein. Rechts und links erhebt sich