Full text: [Teil 8 = Klasse 2, [Schülerband]] (Teil 8 = Klasse 2, [Schülerband])

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So ich mit vorgerecktem Kopf 
140 Begierlich bringe gleich zu Kropf. 
Indes der Wächter elfe schreit. 
Mein Herr denkt: Es ist Schlafenszeit, 
Ruckt seinen Stuhl und nimmt das Licht; 
„Gut Nacht, Herr Pfarr!" — Er hört 
145 es nicht. 
Im Finstern wär' ich denn allein. 
Das ist mir eben keine Pein. 
Ich hör' in der Registratur 
Erst eine Weil' die Totenuhr, 
150 Lache den Marder heimlich aus, 
Der scharrt sich müd' am Hühnerhaus; 
Windweben um das Dächlein stieben; 
Ich höre, wie im Wald da drüben — 
Man heißet es ,Jm Vogeltrost' — 
155 Der grimmig Winter sich erbost, 
Ein Eichlein spalt't jähling mit Knallen, 
Eine Buche, daß die Täler schallen. 
— Du meine Güt', da lobt man sich 
So frommen Ofen dankbarlich! 
160 Er wärmelt halt die Nacht so hin, 
Es ist ein wahrer Segen drin. 
— Jetzt, denk' ich, sind wohl hie und dort 
Spitzbuben aus auf Raub und Mord; 
Denk', was eine schöne Sach' es ist, 
165 Brave Schloß und Riegel zu jeder Frist! 
Was ich wollt' machen herentgegen, 
Wenn ich eine Leiter hört' anlegen; 
Und sonst was so Gedanken sind; 
Ein warmes Schweißlein mir entrinnt. 
170 Um zwei, gottlob, und um die drei 
Glänzet empor ein Hahnenschrei, 
Um fünfe, mit der Morgenglocken 
Mein Herz sich hebet unerschrocken, 
Ja voller Freuden auf es springt, 
175 Als der Wächter endlich singt: 
„Wohlauf, im Namen Jesu Christ! 
Der helle Tag erschienen ist!" 
Ein Stündlein drauf, wenn mir die 
Sporen 
180 Bereits ein wenig steif gefroren, 
Rasselt die Lis' im Ofen, brummt, 
Bis 's Feuer angeht, saust und summt. 
Dann von der Küch' 'rauf, gar nicht übel, 
Die Supp' ich wittre, Schmalz und 
Zwiebel. 185 
Endlich gewaschen und geklärt, 
Mein Herr sich frisch zur Arbeit kehrt. 
Am Samstag muß ein Pfarrer fein 
Daheim in seiner Klause sein, 
Nicht visiteln, herumkutschieren, 190 
Seine Faß einbrennen, sonst hantieren, 
Meiner hat selten solch Gelüst. 
Einmal — ihr sagt's nicht weiter just — 
Zimmert' er den ganzen Nachmittag 
Dem Fritz an einem Meisenschlag 195 
Dort an dem Tisch und schwatzt' und 
schmaucht', 
Mich alten Tropf kurzweilt' es auch. 
Jetzt ist der liebe Sonntag da. 
Es läut't zur Kirchen fern und nah. 200 
Man orgelt schon; mir wird dabei, 
Als säß' ich in der Sakristei. 
Es ist kein Mensch im ganzen Haus; 
Ein Mücklein hör' ich, eine Maus. 
Die Sonne sich ins Fenster schleicht, 205 
Zwischen die Kaktusstöck' hinstreicht 
Und gleitet übern Armstuhl frank 
Hinüber an den Bücherschrank. 
Da stehn in Pergament und Leder 
Voran die frommen Schwabenväter. 210 
Wie sie die goldnen Namen liest, 
Noch goldener ihr Mund sie küßt. 
Jnmittelst läuft ein Spinnlein zart 
An mir hinauf nach seiner Art 
Und hängt sein Netz, ohn' erst zu fragen, 215 
Mir zwischen Schnabel auf und Kragen. 
Ich rühr' mich nicht aus meiner Ruh', 
Schau' ihm eine ganze Weile zu. 
Darüber ist es wohl geglückt, 
Daß ich ein wenig eingenickt. — 220 
Nun sagt, ob es in Dorf und Stadt 
Ein alter Kirchhahn besser hat? 
Ein Wunsch im stillen dann und wann 
Kommt einen freilich wohl noch an.
	        
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