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Beinahe wieder bis zum Tod.
Doch ihre Treu und ihre Not
1355 Sah, der in alle Herzen schaut.
Vor dem nicht eins so wohlverbaut.
Daß er es nicht erschließen sollt!
Er, der prüfen nur gewollt
Aus seiner Gnade dieses Paar,
i38o Das nun versucht wie Hiob war,
Der demutvoll sein Leiden trug,
Versucht geworden schwer genug,
Nun zeigte er, der heil'ge Christ,
Wie lieb ihm das Erbarmen ist,
1365 Und schied die Treuen beide
Von allem ihren Leide
Und machte ihn von dieser Stund
Wieder rein und ganz gesund. . .
In der Heimat wird der arme Heinrich freudig
von jedermann begrüßt, und hohe Ehren werden
ihm zu teil. Und welche unsägliche Freude erst
bereitet den Meiersleuten die Wiederkehr der Tochter!
Der Ritter aber wird reicher als vorher an Gut
und frommem Mute. Dem Meier und seiner Frau
schenkt er den Hof, wo er siech lag, mit allem,
was dazu gehört, und die Jungfrau, die so frei
wie er ist, wählt er zum Trautgemahl und lebt
mit ihr viele Jahre in glücklichster Ehe.
2. Her Wolfram von Eschenbach (f nach 1217).
Quelle: Hertz, W., Parzival von W. v. Eschenbach, neu bearbeitet. Stuttgart 1898.
Aus „Parzival".
1. [Eingang.]
Wenn Wankelmut beim Herzen wohnt,
Wie das mit Leid der Seele lohnt!
Denn scheckig nach der Elstern Art
Ist, wer die Treu mit Untreu paart,
5 Mit Schmach die Ehre, Fluch mit Heil:
An ihm hat Hüll und Himmel teil.
Wer ganz der Falschheit sich gesellt,
Ist schwarz wie Satans finstre Welt.
Doch ein getreuer, steter Sinn,
io Der wandelt licht zum Lichte hin.
Die Mär, die wir erneuen,
Die sagt von großen Treuen,
Von Weiblichkeit auf rechtem Pfad,
Von Mannes Mannheit fest und grad,
i5 Die sich vor keiner Härte bog,
Vom Mann, den nie sein Mut betrog,
Daß, wo sich ihm ein Streit entspann,
Sein Stahlarm nicht den Sieg gewann
Mit manchem hohen Preise,
so Der Kühne, spät erst Weise,
Ich seh ihn vor mir stark und mild,
Für Weibes Aug ein süßes Bild,
Für Weibes Herz ein sehnend Leid,
Doch rein von Makel allezeit. . .
2. sParzivals Ausfahrt.^
. . Man sagt, der Hölle Glut vermeidet,
Wer Armut wegen Treue leidet.
Heydtmann. Lesebuch. I.
Das tat ein Weib, und ew'ge Gaben
Wird es dafür im Himmel haben.
Frau Herzeloyd', die reiche, ließ 15
Drei Lande, wo sie Herrin hieß.
Nie hat an ihr zu keinen Stunden
Aug und Ohr ein Falsch gefunden.
Zum Nebelgrau ward ihr die Sonne;
Sie floh von aller Erdenwonne, 20
Und gleich war ihr so Nacht wie Tag.
Ihr Herz nur noch des Jammers pflag.
So zog die jammervolle Frau
Hinweg nach einer Waldesau,
In wilder Einsamkeit gelegen, 25
Doch wahrlich nicht der Blumen wegen:
Was galt ein Kranz in ihrer Oual,
Ob er nun rot war oder fahl?
Sie flüchtet aus der Welt Getriebe
Den Sohn, den Erben ihrer Liebe, 30
Und sie befahl dort ihren Leuten,
Das Feld zu baun, den Wald zu reuten.
Doch allen unter strengstem Drohn
Verbot sie, daß vor ihrem Sohn
Der Name Ritter würde laut: 35
Denn hörte das mein Herzenstraut,
Sollt er von Rittern wissen,
Würd er mir auch entrissen.
Drum haltet klug die Zung in Haft,
Und schweiget ihm von Ritterschaft! —
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