Full text: [Theil 6, [Schülerband]] (Theil 6, [Schülerband])

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aschgrau und schwarzgefleckt, mit breiter/ schwarzer Endbinde. Je 
älter der Vogel wird, desto mehr bräunt sich sein Gefieder ab; die 
Jungen sind kohlschwarz mit schmutzigweißen Federfüßen. Der 
Schnabel ist Hornblau, mit gelber Wachshaut gesäumt und zwei 
Zoll lang, von der Wurzel an gekrümmt, während am Schnabel 
des Geiers bloß die Spitze sich biegt, die Iris goldfarbig, im hohen 
Alter feuerfarben. Der Lauf ist bis an die Zehen mit kurzen, 
derben, lichtbraunen Federn dicht besetzt, was den Steinadler von 
ähnlichen Arten sicher unterscheidet; die Zehen sind hellgelb, die 
Ballen groß und derb, die schwarzen Krallen groß und sehr spitz, 
die Hinteren fast drei Zoll lang. Das Gewicht eines alten Adlers 
steigt selten über 12 Pfund. 
Dieser schöne, mächtige Vogel findet sich in der Schweiz nur 
in den Hochgebirgen; im übrigen Europa, in Asien nnd Nord¬ 
amerika aber auch neben den tiefländischen Adlern in den großen 
Wäldern der Ebene und an den Küsten. Nur im Winter, wo die 
Murmelthiere unter der Erde liegen, die Gemsen, Hasen, Schafe 
und Ziegen sich in die tieferen Wälder und ins Thal ziehen, ver¬ 
läßt er in den Alpen seine Horste, um die Thäler und Niederungen 
zu durchstreifen, und auch dann nur auf kurze Zeit. Er ist kühner, 
rüstiger und lebhafter als der Lämmergeier, von dem er sich auch 
durch seinen hüpfenden Gang unterscheidet. Stundenlang scheint er 
in unermeßlicher Höhe am blauen Himmel zu hangen und ohne 
Flügelschlag in weiten Kreisen dahinzuschweben; Jäger wollen ihn 
über dem Gipfel des Wetterhorns und des Eigers, also in einer 
Höhe von mehr als 12,000 Fuß, schwebend gesehen haben. Muthig, 
kräftig, klug, scharfsichtig und von so feiner Witterung, daß er hierin 
kaum vom Condor übertroffen wird, ist er zugleich außerordentlich 
scheu und vorsichtig, meist einsam seiner Beute nachspähend, seltener 
auch mit seinem Weibchen. Sein Helles „Pfülüf" oder „Hiä—hiä" 
klingt weit durch die Lüfte und erfüllt das kleinere Geflügel mit 
Schrecken. Wenn er sich seiner Beute nähert, stößt er oft ein „Kik — 
kak — kak" aus, senkt sich allmählich festen Blickes auf sein Opfer 
und stößt dann blitzschnell in schiefer Linie auf dasselbe. Keines 
unserer kleineren Thiere ist vor seiner Kralle sicher; Rehkälber, Hasen, 
wilde Gänse, Lämmer, Ziegen, die er kühn vor Häusern und 
Ställen wegholt, Füchse, Dächse, Katzen, Feld- und Waldhühner, 
Hunde, Trappen, Störche, zahmes Geflügel, selbst Ratten, Maul¬ 
würfe und Mäuse sind ihm angenehm, vorzüglich aber Hasen, die 
er seinen Jungen stundenweit mit ungeschwüchter Kraft zuträgt. 
Den Vierfüßer rettet der flüchtigste Lauf nicht, eher den kleinen 
Vogel der hastige Flug. Der Adler setzt seine Jagd mit ebenso 
großer Beharrlichkeit als List fort und ermüdet das flinke Rebhuhn
	        
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