Full text: [Theil 6, [Schülerband]] (Theil 6, [Schülerband])

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Knollen zu gedenken. Wenn man sich also einmal über die große 
Kraft in der Natur gewundert hat, so hat man sich über den 
großen Reichthum an Pflanzen aller Art nicht mehr zu verwundern. 
Obgleich viele Tausende Kerne und Körnlein alle Jahre von 
Menschen und Thieren verbraucht werden, viele Tausend im Boden 
ersticken, oder im Aufkeimen durch ungünstige Witterung und andere 
Zufälle wieder zu Grunde gehen, so bleibt doch, Jahr aus Jahr 
ein, ein freudiger und unzerstörbarer Überfluß vorhanden. Auf 
der ganzen weiten Erde fehlt es nirgends an Gesäme, überall nur 
an Platz und Raum. 
3. 
Aber wenn jeder reife Kern, der sich von seiner Mutterpflanze 
ablöset, unter ihr zur Erde siele und liegen bliebe, alle lägen auf 
einander, keiner könnte gedeihen, und wo vorher keine Pflanze war, 
käme doch keine hin. Das hat die Natur vor uns bedacht und 
nicht auf unsern guten Rath gewartet. Denn einige Kerne, wenn 
sie reif sind, fliegen selbst durch eine verborgene Kraft weit aus 
einander; die meisten sind klein und leicht, und werden durch jede 
Bewegung der Luft davon getragen. Manche sind noch mit kleinen 
Federlein besetzt, wie der Löwenzahn (Schiente, Kettenblume); Kinder 
blasen sie zum Vergnügen aus einander und thun damit der Natur 
auch einen kleinen Dienst, ohne es zu wissen; andere gehen in zarte 
breite Flügel aus, wie die Samenkörner von Nadelholzbäumen. 
Wenn die Sturmwinde wehen, wenn die Wirbelwinde, die im 
Sommer vor den Gewittern hergehen, alles von der Erde auf¬ 
wühlen und in die Höhe führen, dann säet die Natur aus und ist 
mit einer Wohlthat beschäftiget, während wir uns fürchten, oder 
über sie klagen und zürnen; dann fliegen und schwimmen und 
wogen eine Menge von unsichtbaren Keimen in der bewegten Luft 
herum und fallen nieder weit und breit, und der nachfolgende 
Staub bedeckt sie. Bald kommt der Regen und befeuchtet ihn, und 
so wird's auf Flur und Feld, in Berg und Thal, auf Forst und 
Halden auch wahr, daß etliches auf dem Weg von den Vögeln des 
Himmels gefressen wird, etliches unter den Dornen zu Grunde geht, 
etliches auf trockenem Felsengrund in der Sonnenhitze erstirbt, 
etliches aber gut Land findet und hundertfältige Frucht bringt. 
Weiter sind manche Kerne für den Wind zu groß und zu schwer, aber 
sie sind rund und glatt, rollen auf der Erde weiter und werden 
durch jeden leichten Stoß von Menschen oder Thieren fortgeschoben. 
Andere sind mit umgebogenen Spitzen oder Häklein versehen, sie 
hängen sich an das Fell der Thiere oder an die Kleider der 
Menschen an, werden fortgetragen und an einem anderen Orte 
wieder weggestreift, oder abgelesen und ausgesäet, und der es thut.
	        
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