63. Die Seeschlacht.
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schor, ist sie jedoch zu groß, um sich auf so leichte Weise bändigen zu lassen.
Mit Entsetzen sehen die verlorenen Matrosen Blitze durch den Kiel brechen; hier
wird noch ein kleiner Pulvervorrat dieser, dort jener Kanone erfaßt, die ge¬
ladenen Stücke lösen sich von selbst. Die ungeheuere Glut des untern Raumes
schmilzt das Kanonenmetall und vermehrt herunterfließend noch die Gefahr,
indem es die untersten Gegenden mit Feuer erfüllt, wohin noch keine Flamme
gedrungen war, indem das geschmolzene Metall brennende Spuren überall zurück¬
läßt, wohin es fließt. — Jetzt leckt die Flamme schon an den Masten, am Tau¬
werke, an den durch und durch geteerten Seilen züngelt ein grünes, blaues und
rotes Feuer empor, — das unglückliche Schiffsvolk soll retten und weiß nicht
was, — auf den brennenden Leitern steigen die Matrosen hinauf, um die Segel
losznschneiden und sie ins Meer zu werfen, damit sie nicht, von den Flammen
ergriffen, noch auf andere Schiffe fliegen und diese gleichfalls in Brand stecken;
betäubt, erstickt, halb gebraten, fallen die Armen nieder auf das Verdeck, glück¬
lich, wenn nur gleich tot, wenn nicht zu langsamen, gräßlichen Folterqualen
bestimmt. Bald muß man auch diese Mühe aufgeben; oben kann des Qualms
wegen niemand aushalten, unten nicht, weil ein wahrer Feuerregen von dem
geschmolzenen Pech aus den Tauen und Seilen niederträufelt. Die noch hän¬
genden Segel werden nun ergriffen, flattern hoch auf; brennende Stücke reißen
los und fliegen wie feurige Fahnen in der Luft umher. Jeder Versuch zur
Rettung wird aufgegeben, nur noch die übrige Mannschaft dem Tode zu ent¬
führen, bleibt einige Hoffnung. Die Boote füllen sich mit Menschen, auch von
andern Schiffen sind welche herzugeschickt, um aufzunehmen, was noch zu ent¬
fliehen vermag; denn die ächzenden Verwundeten werden ihrem Schicksal über¬
lassen ; zu ihnen, die im Zwischendeck eingesperrt sind, kann man nicht mehr ge¬
langen, auch hat der Qualm sie wohl schon erstickt. —
Rettung lacht den Glücklichen entgegen, welche die Schaluppen erreichen —
sie stoßen ab vom Schiffe, — da flammt der Koloß plötzlich auf im weißen
Lichte, ein Donnerschlag ertönt, als brächen der Erde Grundfesten zusammen,
die Pulverkammern sind von dem fließenden Metalle erreicht, auf fliegt das Schiff
in die Luft.
Todesstille herrscht rings umher. Alle Schiffe, welche in der Schlacht
waren, sind durch den Schlag, den das Seebeben verursachte, erschüttert; die
Masten krachen, die Planken knacken in ihren Fugen, die See wogt auf und ab;
ein tiefes Wellenthal, dem augenblicklich eine ungeheure bergähnliche Wasser-
masfe folgt, bezeichnet die Stelle, wo das stolze Schiff von 120 Kanonen stand.
Jetzt sieht man nur Trümmer umherschwimmen, und hoch im Bogen, aus dem
Rauche, der die Luft erfüllt, stürzen die Tausende hinaufgeschlenderter Balken,
Rahen und Masten nieder, zerschmettern, wenn sie ein Schiff treffen, gleich
Bomben, dessen Verdecke, reißen es mit ins Verderben. Und was das traurigste