Ein Guck in die Welt
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Menschenauge nicht möglich ist. Merk, nur in die kleinen Dinge
kann man mit dem künstlichen Auge und Lichte hineinsehen;
um die größeren Dinge in der Welt zu erforschen, gehören ganz
andere Zurüstungen. Durch das künstliche Auge gesehen, geht
aber in den kleinen, winzigen Dingen eine neue, nicht geahnte
und nicht gekannte, wunderbare Welt auf, über die man wie
billig staunen — und Gott anbeten sollte. Ein kleiner Hüpfinsstroh
wird unter dem Mikroskop bis zu 36 Fuß lang, und da sollte
man einmal den Bau und die Einrichtung eines solchen Ritters
beschauen, diese Beine, dick wie Zimmerbalken, und die Saug¬
maschine, wie das alles zusammenstimmt und klappt! Das Auge
einer Stubenfliege, an dem man sonst nichts entdeckt, als daß es
wie ein glänzendes Korn unbeweglich im Kopfe steckt, wird unter
der Guckmaschine fünf bis sechs Fuß ausgespannt, und o Wun¬
der! dieses einfältige Fliegenauge ist in so zarte, regelrechte,
fast zahllose Augenspiegel geteilt, daß man deren wohl über 8000
an dem einzigen Augenkorn dieser Stubenfliege zählen kann.
Man weiß nicht, soll man mehr über die Zahl dieser Augen¬
spiegel oder über die wunderbare Ordnung in ihrer Zusammen¬
setzung in Bewunderung ausbrechen, so daß es mich gar nicht
verwunderte, daß ein ehrsamer Handwerksbursche hinter mir aus¬
rief: „Da sieht man die Allmacht Gottes!" — das Geistreichste,
was sich sagen ließ. Nicht weniger wunderbar erschien das feinste
Moos vom Stein an der Straße, der Staub vom Schmetter¬
lingsflügel, lauter nette, hübsche Federchen, kurz jedes Ding,
das aus den allmächtig schaffenden Händen Gottes hervorge¬
gangen, obwohl uns dieses künstliche Auge nur die äußere, sicht¬
bare Gestalt der Dinge vorführen konnte. Wenn ich dir ferner
noch sagen sollte, lieber Leser, was alles in einem Wassertropfen
lebt und sich regt, was ein winzig Stückchen Käse bevölkert,
du würdest aufschreien, vielleicht auch ein gar garstig Gesicht
machen, was unserer jungen Freundschaft aber nicht gut wäre.
And doch kann ich nicht sagen, daß wir da an diesen genannten
Dingen alles gesehen, was möglicherweise gesehen werden kann;
scheint es mir doch, als ob hinter diesen Dingen noch wieder
andere Geschöpfe sich verbergen, die auch wieder völlig für ihr
Dasein organisiert sind und ihren vom Schöpfer angewiesenen