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Er ist heimgekommen mit Kutsche und Pferd, aber hat nicht
mehr gehört, was die Fürfelder dazu sagten.
An der langen Kirchhofmauer zu Fürfeld hatte der Seiler¬
meister seine Werkstatt und es ging dabei, wie es das Geschäft mit
sich bringt, immer rückwärts — für Lehrjungen wie Meister. Der
Lehrjunge, er hieß Franz mit Namen, war schon früh ein ab¬
sonderlicher Kopf, der sich oft an der Kirchhofmauer stieß, d. h. in
Gedanken. Er konnte nicht begreifen, warum man die Toten mit
einer Mauer umschließe; eine lebendige Hecke wäre viel schöner ge¬
wesen. Dann blickte Franz oft hinüber nach dem Plätzchen, wo sein
Vater und seine Mutter lagen. Es war gut, daß er sich am Seile
halten und rückwärts gehen konnte; denn Tränen verdunkelten sein
Auge und seine Knie zitterten. Dort lagen alle seine Lieben, er
hatte keine Geschwister und keine Verwandten mehr. Wie das aber
so geht, wenn man täglich etwas sieht, merkt man zuletzt nichts
mehr davon und das Gefühl stumpft sich ab. So sah Franz auch
bald nicht mehr an die Mauer und sah nicht mehr nach den Gräbern
hinüber.
Die Zeit der Wanderung kam. Franz hatte leichtes Gepäck,
aber auch viel leichten Mut. Als er an dem Kirchhof vorüberzog
und den schmalen, ausgetretenen Fußpfad sah, den er tausend- und
aber tausendmal gemessen hatte, da dachte er mit schwerem Herzen
daran, was für neue, unbetretene Pfade er jetzt zu wandern habe.
Noch einen Blick hinüber nach jener heiligen Stätte und fort ging's
mit lustigem Liede.
Franz war ein frommes, vertrauendes Gemüt und war dabei
streng erzogen. Er wanderte vorerst nach benachbarten Ländern,
fand aber nur selten Arbeit. Da nahm er sich endlich vor nach
Italien zu ziehen; er wußte selber nicht recht warum; aber ein
wandernder Handwerksbursche macht keinen Umweg, wenn er auch
noch sosehr fehl geht. Er fand aber auch hier wenig Arbeit; denn
man hatte inländische Stricke genug und brauchte keine fremden
und auch hier liefen die ärgsten Spitzbuben ungehangen umher.
Franz ging zuerst auf Venedig zu. Dort wollte er lernen starke
Schiffstaue machen. Danach trug er großes Verlangen. Unterwegs
aber mußte er mit Trauer sehen, daß seine Stiefel nicht mehr Stich
halten wollten, sondern nach allen Seiten hin ausrissen. Er nahm
nun die Fußbekleidung in die Hand und marschierte barfuß weiter.
Eines Tages, als ihn die Füße gewaltig brannten, legte er sich äm
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