Full text: [Band 3 und 4, [Schülerband]] (Band 3 und 4, [Schülerband])

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42. Die Libysche Wüste. 
A. 
Unter Wüste pflegt man sich in der Regel eine unermeßliche, von 
Sand bedeckte, mit niedrigen Dünen durchzogene Ebene vorzustellen. 
So erscheint sie in der Tat dem Reisenden, welcher von der Spitze der 
Cheopspyramide seine Augen nach Westen richtet. Derjenige indes, 
welcher den Steilrand des Gebirges erklimmt und ein Stück der Hoch¬ 
fläche überschaut, kehrt mit einem andern Eindruck zurück, und wer 
vollends in das Innere der Wüste selbst eindringt, findet ein Gebiet, 
das an mannigfaltiger Gliederung der Oberfläche jedes kultivierte 
Flachland Europas übertrifft. Hier wie dort gibt es Berg und Tal, 
Fels und Sand, aber alles liegt nackt vor dem Auge, keine Erdschicht, 
keine Pflanzendecke verhüllt die ursprüngliche Form des Untergrundes. 
Das zwischen dem Nil und den ägyptischen Oasen gelegene Stück 
der Libyschen Wüste bildet eine ununterbrochene Hochebene. Wie eine 
riesige, rauhe, gegen den Nil sanft abfallende, gegen Westen bis zu 
ungefähr 250 m über das Nilbett ansteigende Platte breitet sie sich 
als eine schwer passierbare Schranke zwischen dem fruchtbaren Ägypten 
und den westlich gelegenen Oasen aus. Gegen den Nil sowohl als auch 
gegen die Einsenkung, in welcher die Oasen sich befinden, ist die Hoch¬ 
ebene durch wild zerrissene, überaus malerische Steilränder von an¬ 
sehnlicher Höhe scharf begrenzt. Ihr Charakter läßt sich einigermaßen 
mit der Hochfläche des südeuropäischen Karstgebirges vergleichen. Sie 
teilt mit dieser die absolute Wasserarmut, die Unfruchtbarkeit und 
vor allem die Zusammensetzung aus Kalkstein. 
Die Aufmerksamkeit der Reisenden wird hauptsächlich durch die 
Beschaffenheit der Oberfläche gefesselt und diese bietet auch in der Tat 
des Ungewohnten genug. Neben den im felsigen Untergrund fest ge¬ 
zeichneten Hauptzügen erhält die Wüstenoberfläche durch den beweg¬ 
lichen Flugsand einen ewig wechselnden Charakter. Sand in größerer 
oder geringerer Menge fehlt dem von uns durchzogenen Teil Libyens 
wohl nirgend. Trotz dieser allgemeinen Verbreitung ist der Sand 
dennoch entschieden ein Fremdling auf der libyschen Kalkfteinfläche, 
möglicherweise aus weiter Ferne herbeigeweht oder herbeigeschwemmt. 
Er besteht ausschließlich aus winzigen abgerundeten Quarzkörnchen, 
von denen einzelne durch Eisenoxyd braun oder rötlich gefärbt sind. 
Dieser geringe Zusatz von Eisen bedingt seine zwischen lichtgelb und 
rötlich-braun schwankende Farbe. Körnchen von mehr als der Größe
	        
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