Ein altgermanisches Stammesgericht
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ältestes Abbild." — „Er ist Wodan geweiht," wiederholte der
Richter feierlich, „wenn Wodan ihn will! Fragen wir den Gott!"
Mit Staunen blickten alle, mit leiser Hoffnung der Verurteilte
zu dem Alten auf, der nun fortfuhr: „Schimpflich und schandvoll
ist es dem Manne, zu schaukeln zwischen den Zweigen, zwischen
Himmel und Hügel! Und er war wacker bisher, nur gegen feines
Kindes Weinen war er zu weich! Nutzlos seinem Volke stirbt er.
hängt er da hoch am Holze. Wohlan, fragen wir Wodan, ob er
vielleicht ihm vergibt! Wolltet doch ihr alle wie der Kläger selbst
zuerst die Tat ungestraft lassen. Das ging nicht an! Dem Hohen
muß sein Recht dargeboten werden, aber — vielleicht will er es
nicht nehmen. Ich rate: Fiskulf soll eine Tat wagen, in der er
zu seines Volkes Heil fällt, unmeidbar fällt, wenn nicht etwa
Wodan selbst sich seiner erbarmt und ihn rettend davonträgt in
dem weithin waltenden Mantel!"
„Sprich, rede! Was darf ich tun?" rief der Mann mit leuch¬
tenden Augen, „alles, alles! Gern will ich den Speertod sterben,
nur nicht den Strang der Schmach!" „Du sollst zuerst vor allen
andern auf das stolzeste Schiff des Römerführers springen und —
du verstehst dich ja so gut darauf, die Flamme zu wecken — Feuer
werfen in seine Segel!" — „Ja, ja! das soll er! Heil dem Her¬
zog!" riefen da Tausende. Der Fischer aber sprang hart an den
Stuhl des Richters, hob beide Hände zu ihm auf und rief: „Dank
dir, Herzog! Ja, du kennst Wodans wahren Willen! das größte
Schiss der Römer, das Feldherrnschiff in Arbor — nicht? —
Wohlan! Ich weiß noch nicht, wie ich an das Schiff gelangen
werde da drüben, aber ich sterbe, oder ich vollbringt." Da sprach
der Herzog: „Das ist meine Sorge. Du sollst nicht zu jenem Schiff
kommen, Wodan wird das Schiff zu dir führen; dann tu, wie ich
dir sage!" — „Gern! Gern!" Auf einen Wink des Richters trat
er nun in den Ring der Heergenossen, von denen mancher sich
nicht scheute, ihm die Hand zu reichen.
Felix Dahn.