Full text: [Band 5 = 5. Klasse, [Schülerband]] (Band 5 = 5. Klasse, [Schülerband])

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Eine schone schulkunst, was ein singer sol singen 
Geist, das Herz, die in allen seinen Kräften leben und weben, 
zu fühlen, zu erkennen und zu lieben! 
Da in dem glücklichen Geiste unsers lieben Meisters alles, 
was er sah, hörte und las, zum Gedichte wurde, da er früh 
zu dichten anfing und erst im achtundsiebzigsten Jahre seines 
Lebens aufhörte, am Dichten seine größte Freude hatte, sich 
Beifall, Ehre und Ruhm dadurch erwarb und, was bei einem 
so biederherzigen Manne notwendig ein großer Antrieb sein mußte, 
da er wirklich zu seiner Zeit vielen Ruhen mit seinen Werken 
stiftete: so ist kein Wunder, daß er alle andern deutschen Dichter 
an Menge und Mannigfaltigkeit von Kompositionen, sowie die 
meisten bis auf diesen Tag an innerm Werte derselben über- 
troffen hat. Christoph Martin Wieland. 
41. Eine schone schulkunst, 
1. Mein herz das mag nit rue 
han, 
darum so wil ich heben an, 
zu singen hie auf diesem plan, 
wiewol ich nit kann iedermann 
singen und das im freude geit; 
es ist mir leit, 
seit ichs nit kan Volbringen, 
Das doch zimt einem singer frei, 
das er soll künnen mancherlei, 
auf das, wu er bei leuten sei, 
das er mit süßer melodei 
den leuten sing, was man beger; 
so ers gewer, 
der mag mit preis gelingen. 
Mancher der tut das selbig nit 
und singt allein aus musica der künste, 
darmit er sich herfüre bricht, 
und doch solch materi gar umsunste, 
Wan der zehent sein nit Verstat; 
seins tzesangs kein genad man hat, 
gespöttes man ob im nit lat; 
darum so war der beste rat: 
ein singer ließ sein kunst mit ru, 
bis er kum zu, 
wo Meistersinger singen. 
was ein singer sol singen. 
2. Bei den sing er von Meisterschaft 
und von der siben kunsten kraft; 
ist er mit rechter kunst behaft, 
so bleibt er von in ungestraft; 
bei andern leuten zimet bas 
zu singen das, 
was ich hernach wil sagen. 
Des nem ein jeder singer war, 
wo er ist bei der gierten schar, 
so sing er von der gotheit klar 
und von der meit, die got gebar, 
und aus der heiligen geschrift, 
was sie antrift; 
gift sol er nit zutragen. 
Wo er ist bei dem adel gut, 
so sing er nit von solchem disputiren 
sunder sing in aus freiem mut 
von rennen, stechen, kempfen und 
turniren, 
von fechten, ringen, springen vil, 
von jagen, baisen wie man wil, 
von solchem ritterlichen spiel 
manche historia subtil; 
kann er das meisterlichen, do 
sein herz Wirt fro, 
so er tut Preis erjagen.
	        
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