Geliert und Friedrich der Große
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Der König: Hat er den Lafontaine nachgeahmt?
Ich: Nein, Sire, ich bin ein Original, das kann ich ohne
Eitelkeit sagen; aber darum sage ich noch nicht, daß ich ein gutes
Original bin.
Der Major: Ja, Ihro Majestät. Man hat in Paris die Gellert-
schen Fabeln übersetzt und ihn für den deutschen Lafontaine erklärt.
Der König: Das ist viel. Aber warum ist Er krank? Er
scheint mir die Hypochondrie zu haben.
Ich: Leider, seit zwanzig Jahren.
Der König: Ich habe sie auch gehabt und ich will Ihn
kurieren.
Ich: So werde ich in mein Journal setzen können, daß mich
der König von Preußen kuriert hat. Dies wird mir viel Ehre
bei der Nachwelt machen.
Der König: Erstlich muß er alle Tage eine Stunde reiten
und zwar traben.
Ich: Wenn das Pferd gesund ist, so kann ich nicht fort; und
wenn es krank ist, wie ich, so kommen wir alle beide nicht fort. —
(Nunmehr schlug er mir noch eine Menge barbarischer Mittel vor.)
Der König: Will Er das tun?
Ich: Ihre Regeln, Sire, wie man gut schreiben soll, die werde
ich in acht nehmen und habe sie auch schon in acht genommen;
aber Ihren medizinischen Vorschriften werde ich nicht gehorchen,
sie scheinen mir eine zweite Krankheit zu sein. Ich lebe schon sehr
diät und ich bin zufrieden, wenn ich ruhig sterbe, gesetzt, daß ich
auch nicht gesund werde.
Der König: Wie alt ist Er?
Ich: Fünfundvierzig Jahre.
Der König: Das ist kein Alter. Er muß noch schreiben,
für die Welt leben.
Ich: Ich habe es getan und ich habe schon zu viel geschrie¬
ben. Es ist eine große Geschicklichkeit zu rechter Zeit aufzuhören;
und endlich liegt mir an der Unsterblichkeit wenig, wenn ich
nur genützet habe.
A. Bock, Lesebuch. V. Band.
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