Zu Hause
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Ägide beschütze, verlacht selbst das furchtbare Fatum, dem auch
sogar die Unsterblichen huldigen. Wenn du mit dem Beispiel
der Götter Prahlst, so kann ich es auch — der Sohn des Saturnus
ist sterblich, sobald er nicht tugendhaft ist."
Die Freundschaft stand von ferne und schwieg. „Und
du kein Wort, meine Tochter?" rief Jupiter. „Was wirst du
deinen Lieblingen Großes bieten?"
„Nichts von dem allen," antwortete die Göttin und wischte
verstohlen eine Träne von der errötenden Wange. „Mich lassen
sie stehen, wenn sie glücklich sind; aber sie suchen mich auf, wenn
sie leiden."
„Versöhnet euch, meine Kinder!" sprach jetzt der Götter¬
vater. „Euer Streit war der schönste, den Zeus je geschlichtet
hat, aber keine hat ihn verloren. Meine männliche Tochter, die
Tugend, wird ihre Schwester Liebe Standhaftigkeit lehren
und die Liebe keinen Günstling beglücken, den die Tugend ihr
nicht zugeführt hat. Aber zwischen euch beide trete die Freund¬
schaft und hafte mir für die Ewigkeit dieses Bundes!"
Friedrich von Schiller (an seinen Freund Christian Gottfried Körner).
120. Zu Hause.
1. Geschlossen ist das Tor; der Riegel
Fällt klirrend zu, Welt, gute Nacht!
Ich bin zu Haus, des Schweigens Siegel
Ruht über mir, die Sternenpracht.
2. Ist nichts mit mir hereingegangen?
Bleib, Lärm von draußen, bleibe fort!
Enttäuschung, Torheit, Zorn, Verlangen —
Ist nichts herein, kein böses Wort?
3. Bleib' draußen Arglist, feiges Lauern,
Bleib' draußen Mißgunst, Neid und Hohn!
Komm, Hoffart, nicht in diese Mauern,
Fort, Schmeichelei, schleich dich davon! —
4. Sie blieben weg und schon entgegen
Weht mir wie Blumenduft so zart
Ein Friedensgruß, des Hauses Segen,
Die Treue, die mein Heim bewahrt. Hermann Lmgg.