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Der Dorfschmied
fuhr aus der kräftigen Rechten auf den dröhnenden Amboß. Ein
herzstählendes Bild! Ein Bismarck auf dem Dorfe! Groß und
breit stand er, mit hoher, kahler Stirn, das männliche Antlitz durch
buschige Brauen und einen kurzen Schnurrbart verfinstert. Den
Hals nackt, die Hemdärmel bis unter die Schultern zurückgestülpt,
das Schurzfell umgehängt — so steht er heute noch vor meiner
Seele: ein Mann, der seine Pflicht tut!
Ich hatte unterwegs viel Trübes zusammengesonnen. Wenn
man sich in einer unsteten, dem greifbaren Besitz und Genuß mit
Abereifer zugewandten Zeit um so mehr vertrutzt in sein nicht
minder wirkliches Innenland des Idealismus — und wenn man
dann Vergleiche zieht mit der unsteten und unstolzen Umwelt —
welche Kämpfe! Wo ist Deutschland? Wo ist liebherziger, warm¬
inniger und doch vornehmer deutscher Geist? Wo Charakterkraft,
goldhelle Lauterkeit, herzerfreuende Geradheit und Ehrlichkeit ge¬
sunder Zeiten? — Das waren die Kümmernisse, die gleich Sommer¬
mücken den ganzen wunderlinden Abend, das ganze lenzgrüne
Waldtal herab mein unschön Geleite bildeten. Mir war das
Herz zum Zerspringen voll.
Da traf ich zu guter Stunde diesen Dorfschmied. Hallo, sieh
an! rief's in mir, das wird ja wie zu des Landgrafen Hermann
Zeit! Auch damals lag weichliche, liederliche Zeit über unserem
Vaterlande und der Landgraf von Thüringen war ein Knabe.
Da stand der Waldschmied von Ruhla an seinem Amboß und
bei jedem Hammerschlag, der herniedertönte, rief er: „Landgraf,
werde hart!" Der verirrte Landgraf hörte den Ruf, merkte sich
die tüchtige Lehre, stäubte das Raubgesindel aus dem Lande
und führte Zucht und Ordnung in seine verlotterten Gaue zurück.
„Grüß Gott, Meister Schmied!" rief ich frohgemut, „noch
so spät an der Arbeit?"
Mein Mann sah auf, brummte einen „Guten Abend" und
fuhr dann gleichmütig fort aus seinem roten Eisen Funken her¬
auszuhämmern.
Der macht nicht viel Worte, dachte ich und setzte mich auf
einen leeren Amboß. Einem Schmied mag ich gern zuschauen.
Es ist ein urdeutsches, kräftiges Handwerk, das Schmiedehandwerk.
War's nicht in einem Zweige meiner Familie Erbsitte, daß der