Einhard, Karl der Große.
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wollte, konnte er auf das klarste ausdrücken. Darin unterrichtete ihn
der Angelsachse Alkuin, ein in allen Fächern sehr gelehrter Mann, bei
dem er auch die Rechenkunst und die Sternkunde erlernte. Die schönen
Wissenschaften pflegte er mit größtem Eifer; ihre Meister schätzte er
ungemein und erwies ihnen hohe Ehren. Auch auf fremde Sprachen
verwandte er großen Fleiß. Das Lateinische lernte er, daß er es wie
seine heimische Sprache zu sprechen pflegte, das Griechische aber konnte
er besser verstehen als sprechen. In der Grammatik lehrte ihn Petrus
von Pisa. Auch zu schreiben versuchte er und trug zu dem Zweck
Täfelchen und Papier bei sich, legte sie auch unter sein Kopfkissen, um
in freier Zeit seine Hand an die Gestaltung von Buchstaben zu ge¬
wöhnen. Doch er machte wenig Fortschritte in dieser zu spät begonnenen
Arbeit.
Die Rechte aller ihm untergebenen Völker ließ er, wenn es noch
nicht geschehen war, zusammenstellen und aufzeichnen. Ebenso ließ er
die uralten deutschen Lieder, in denen der Könige Taten und Kriege
besungen wurden, aufschreiben und entzog sie so der Vergessenheit. Auch
eine Grammatik der deutschen Sprache begann er abzufassen. Ferner
gab er den Monaten, die vor jener Zeit bei den Franken mit lateinischen
oder barbarischen Namen benannt wurden, Benennungen aus seiner
eigenen Sprache.
Der christlichen Religion war er mit Ehrfurcht und frommer Liebe
zugetan. Darum erbaute er auch die überaus schöne Basilika zu Aachen
und schmückte sie prächtig. Die Kirche besuchte er fleißig morgens und
abends, auch die nächtliche Messe, wenn es ihm sein Befinden erlaubte;
und er hielt darauf, daß alle gottesdienstlichen Handlungen mit mög¬
lichst großer Würde vollzogen würden. Das Verfahren beim Singen
und Lesen in der Kirche verbesserte er aufs sorgfältigste. Denn in
beiden Dingen war er sehr bewandert, wenn er auch selbst nicht öffent¬
lich las und nur leise und im Chor sang.
Für den Unterhalt der Armen und für milde Spenden zeigte er
viel frommen Eifer. Selbst über die Meere, nach dem Orient und
Afrika, pflegte er Geld zu schicken, wenn er hörte, daß dort Christen in
Dürftigkeit lebten. Deshalb bewarb er sich um die Freundschaft der
dortigen Herrscher, damit er den unter ihnen lebenden Christen Er¬
quickung und Erleichterung zukommen lassen könnte, besonders aber ehrte
er die Kirche des heil. Apostels Petrus in Rom und schickte den
Päpsten unzählige Geschenke.
Die Feindseligkeit und den Neid seines Bruders trug er mit solcher
Geduld, daß es allen wunderbar erschien, daß er nicht einmal von ihm
zum Zorn gereizt werden konnte. Seine Mutter Berthrade wurde bei
ihm in hohen Ehren alt; denn er bewies ihr die größte Ehrfurcht.
Der Unterricht seiner Kinder mußte nach seiner Meinung so eingerichtet