Full text: [Band 6 = 6. Schuljahr, [Schülerband]] (Band 6 = 6. Schuljahr, [Schülerband])

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meiner freien Wahl ab. Du kannst wählen, sagt mir dieses Wort 
und dich entscheiden nach eigener überzeugung für gut oder bös, für 
falsch oder wahr, für recht oder unrecht. Darum ist es die edelste 
Kraft, die mir innewohnt, denn durch sie unterscheide ich mich vom 
Tier und allen andern kraftvoll wirkenden Wesen, die von der 
Natur getrieben und geleitet werden. Während mir also das Sollen 
und Müssen meine Abhängigkeit und Beschränktheit zum Bewußtsein 
bringt, sagt mir das Wollen, daß ich frei bin. Deshalb ist es aber 
auch das Maß für meine Verantwortlichkeit. Es durch die Vernunft 
zu regeln ist meine Aufgabe. Denn ich komme nur dann zum Ziel, 
wenn mein Wollen nach dem Inhalt meiner Pflichten und der Größe 
meiner Kräfte geordnet ist. Wenn ich also mehr will, als ich kann, 
und anders will als soll, werde ich unglücklich. Darum sagt 
Rückert, der Dichter des Spruches von den sechs Wörtlein, an einer 
anderen Stelle: 
„Der Mensch kann, was er will, wenn er will, was er kann, 
Ist wohl ein guter Spruch, doch g'nügt er nicht dem Mann. 
Der Mensch kann, was er will, wenn er will, was er soll; 
In diesem ist das Maß der Mannestugend voll. 
Das ist der Zauberbann, mit dem du alles stillst: 
Wolle nur, was du sollst, so kannst du, was du willst.“ 
Mit dem Wollen nahe verwandt ist das Dürfen. Denn mit 
diesem Wort ist mir gesagt, daß es mir gestattet ist zu handeln, 
wie ich will, sei es nun, daß ich die Macht und das Recht dazu in 
mir selbst trage oder durch fremdes Zugeständnis erhalten habe. 
Aber mein Dürfen berührt oft hart die Grenze des Erlaubten. Ich 
darf oft auch dort noch, wo es geratener wäre, ich würde das 
Handeln unterlassen. Mit dem Dürfen setze ich mich also oft einer 
Gefahr aus, die ich zu bestehen wage. Darum ist es meine Pflicht, 
wo ich darf, wohl zu prüfen und zu unterscheiden, ob ich gut daran 
tue das zu wagen, was ich tun darf. 
Zu noch größerer Vorsicht aber mahnt mich das Mögen. 
Damit ist gesagt, daß ich imstande bin und die Kraft habe zu 
wirken, daß es mir freisteht zu tun, wozu ich in mir die Lust und 
Neigung verspüre. Gerade in dem letzteren Umstand liegt aber für 
mich die Gefahr. Denn Lust und Neigung sind gar oft nicht durch 
die Vernunft geleitet, sondern von der Laune des Augenblicks ein— 
gegeben. Darum muß ich dies Mögen klug beherrschen, daß es mich 
nicht zur Unbesonnenheit fortreißt und zu Schaden bringt. Denn 
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