Full text: [Band 6 = 6. Schuljahr, [Schülerband]] (Band 6 = 6. Schuljahr, [Schülerband])

8. Wenn des Frühlings Kinder 
sterben, 
Wenn von Nordens kaltem Hauch 
Blatt und Blume sich entfärben, 
Traurig steht der nackte Strauch, 
Nehm' ich mir das höchste Leben 
Aus Vertumnus' reichem Horn, 
Opfernd es dem Styx zu geben, 
Mir des Samens goldnes Korn. 
Trauernd senk' ich's in die Erde, 
Leg' es an des Kindes Herz, 
Daß es eine Sprache werde 
Meiner Liebe, meinem Schmerz. 
9. Führt der gleiche Tanz der Horen 
Freudig nun den Lenz zurück, 
Wird das Tote neu geboren 
Von der Sonne Lebensblick. 
Keime, die dem Auge starben 
In der Erde kaltem Schoß, 
In das heitre Reich der Farben 
Ringen sie sich freudig los. 
Wenn der Stamm zum Himmel eilet, 
Sucht die Wurzel scheu die Nacht; 
Gleich in ihre Pflege teilet 
Sich des Styx, des Äthers Macht. 
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10. Halb berühren sie der Toten, 
Halb der Lebenden Gebiet; 
Ach, sie sind mir teure Boten, 
Süße Stimmen vom Cocyt! 
Hält er gleich sie selbst verschlossen 
In dem schauervollen Schlund, 
Aus des Frühlings jungen Sprossen 
Redet mir der holde Mund, 
Daß auch fern vom goldnen Tage, 
Wo die Schatten traurig zieh'n, 
Liebend noch der Busen schlage, 
Zärtlich noch die Herzen glüh'n. 
11. O so laßt euch froh begrüßen, 
Kinder der verjüngten Au! 
Euer Kelch soll überfließen 
Von des Nektars reinstem Tau. 
Tauchen will ich euch in Strahlen, 
Mit der Iris schönstem Licht 
Will ich eure Blätter malen 
Gleich Aurorens Angesicht. 
In des Lenzes heiterm Glanze 
Lese jede zarte Brust, 
In des Herbstes welkem Kranze 
Meinen Schmerz und meine Lust. 
b) Das Eleusische Fest. 
1. Windet zum Kranze die goldenen 
Ahren, 
Flechtet auch blaue Cyanen hinein! 
Freude soll jedes Auge verklären, 
Denn die Königin ziehet ein, 
Die Bezähmerin wilder Sitten, 
Die den Menschen zum Menschen 
gesellt 
Und in friedliche, feste Hütten 
Wandelte das bewegliche Zelt. 
2. Scheu in des Gebirges Klüften 
Barg der Troglodyte sich; 
Der Nomade ließ die Triften 
Wüste liegen, wo er strich. 
Mit dem Wurfspieß, mit dem Bogen 
Schritt der Jäger durch das Land; 
Weh dem Fremdling, den die Wogen 
Warfen an den Unglücksstrand! 
3. Und auf ihrem Pfad begrüßte, 
Irrend nach des Kindes Spur, 
Ceres die verlass'ne Küste, 
Ach, da grünte keine Flur! 
Daß sie hier vertraulich weile, 
Ist kein Obdach ihr gewährt; 
Keines Tempels heitre Säule 
Zeuget, daß man Götter ehrt. 
4. Keine Frucht der süßen Ähren 
Lädt zum reinen Mahl sie ein; 
Nur auf gräßlichen Altären 
Dorret menschliches Gebein. 
Ja, so weit sie wandernd kreiste, 
Fand sie Elend überall 
Und in ihrem großen Geiste 
Jammert sie des Menschen Fall. 
5. „Find' ich so den Menschen wieder, 
Dem wir unser Bild gelieh'n,
	        
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