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Schnell ist die Leiter angelegt, der Vater klettert hinauf, einer der
Jungen stellt sich an die Wasserpumpe, zwei andere eilen mit Stall¬
eimern die Sprossen hinauf und herab. Der Vater rittlings auf
dem Dache sitzend gießt und schlägt mit einem Brette die immer noch
von der Brandstätte herüberfliegenden Funken aus.
Auf diese Weise gelang es den Riegels in gemeinsamer ge¬
waltiger Anstrengung, der Gefahr Herr zu werden. Drüben bei
Schades brannte auch noch der Stall nieder. Nur das mit Ziegeln
abgedeckte Wohnhaus blieb stehen.
Obgleich, wie gesagt, Schadenfeuer in Petersgrün nicht zu den
Seltenheiten gehörten, hatte der Hergang diesmal doch großes Auf¬
sehen erregt. Das Gelage im Gasthofe, das jeder Feuersbrunst zu
folgen pflegte — die Feuerwehr legte dort ihre rühmlich erworbene
Prämie in Bier und Branntwein an — dauerte diesmal besonders
lange. Stoff zur Unterhaltung gab Leberecht Riegels ungewöhn¬
liches Verhalten. Daß der Mann versucht hatte beim Nachbar zu
löschen, schien noch am ersten begreiflich; war er doch mit Schade ver¬
feindet. Aber daß er dann die eigene Scheune, die doch schon so
wundervoll brannte, gerettet hatte, blieb allen ein Rätsel, bis
schließlich einer auf den schlauen Einfall kam: sollte Riegel etwa
nicht versichert haben?
Natürlich, das war es auch! Der Geizhals hatte nicht ver¬
sichert; wahrscheinlich reute ihn die jährliche Prämie, die zu zahlen
war. So ein dummer Kerl! Die Prämien kamen doch hundertmal
wieder heraus, wenn man den Wiederaufbau bezahlt bekam, und
überdies noch das Geld für versichertes Getreide und Futtervorräte!
Was man davon in der Nacht zuvor zum gefälligen Nachbar ge¬
schafft, konnte ja niemand kontrollieren. Das Endurteil der im
Gasthof von Petersgrün versammelten Zechkumpane war, daß
Leberecht Riegel ein viel dümmerer Kerl sei, als man bisher ge¬
dacht hatte.
Der Schadesche Hof stieg neu aus der Asche empor, schöner und
fester, als er vorher gewesen war. Aber auch beim Nachbar Riegel
besserte sich, obgleich er nicht abgebrannt war, mit der Zeit manches
an den Gebäuden. Ob Leberecht Riegel inzwischen versichert
habe, wußte niemand. Als ihn ein Neugieriger mal darüber aus¬
zufragen versuchte, lachte Riegel eigentümlich und meinte, an
einem Orte, wo man eine so erprobte Feuerwehr habe, sei es ganz
unnötig zu versichern.